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Aus: Ausgabe vom 17.12.2012, Seite 3 / Schwerpunkt

Hintergrund: Koreanische Erblasten

Von Rainer Werning
Am 19. Dezember wird in Südkorea der nächste Präsident gewählt. Erstmalig hat dann eine Frau in diesem von konfuzianischer Geschlechterideologie geprägten Land die Chance, das Rennen zu machen. Die 60jährige Park Geun-Hye, älteste Tochter von Park Chung-Hee, der sich 1961 an die Macht geputscht und das Land bis 1979 diktatorisch regiert hatte, hat denkbar gute Chancen, ihre konservative Partei Saenuri (Neue Welt/Neue Grenze) zum Sieg zu führen. Die Lady genießt hohes Ansehen, weil zahlreiche ältere Wähler ihren Vater als »Architekten des Wirtschaftswunders am Han-Fluß« verehren und hoffen, seine Tochter könne am ehesten den erreichten Wohlstand sichern und einen weiteren Aufschwung herbeiführen. Für fortschrittliche, linke und weltoffene Kreise ist der Name ihres Vaters indes nach wie vor ein rotes Tuch. Sie werfen ihm vor, buchstäblich zwei Generationen von Arbeitern verheizt und jedwede Opposition martialisch unterdrückt zu haben. Park Geun-Hye goß Öl ins Feuer, als sie am 21. Februar nach jahrelanger erbitterter Kontroverse eine Gedenkstätte zu Ehren ihres Vaters miteinweihte, in der dessen Leben und Vermächtnis wohlwollend zelebriert werden. Selbst inmitten der heißen Phase des Wahlkampfs muß sie sich mit diesem Erbe auseinandersetzen.

Kim Jong-Un, seit Jahresbeginn Nordkoreas starker Mann und Enkel des Staatsgründers Kim Il-Sung, treibt derweil anderes um. Mit der am 12. Dezember gezündeten Langstreckenrakete sandte Pjöngjang drei bedeutsame Signale aus. Anläßlich der zweiten Amtszeit von US-Präsident Barack Obama und des bevorstehenden Regierungswechsels in Seoul soll daran »erinnert« werden, Nordkorea wieder weit oben auf die politische Agenda zu setzen. Und im Innern will der Enkel Stärke zeigen und eine Scharte auswetzen, nachdem die anläßlich des 100. Geburtstags seines Großvaters im April gezündete Rakete desselben Typs bereits kurz nach ihrem Start zerschellte und ins Meer stürzte.


Ende November gar kürte das US-Satiremagazin The Onion Kim Jong-Un zum »Sexiest Man Alive« 2012, was die chinesische Staatszeitung People’s Daily zumindest einen Tag lang als ernst gemeinte Meldung ins Blatt rückte, um den entsprechenden Bericht subito wieder zu löschen. »Mit seinem umwerfend hübschen, runden Gesicht, seinem jungenhaften Charme und seiner starken, stämmigen Figur ist dieser Herzensbrecher aus Pjöngjang der wahrgewordene Traum aller Frauen«, zitierte die chinesische Zeitung aus dem Originaltext der Satirewebseite. Ob Madame Park das auch so sieht, ist zweifelhaft. Doch gegenüber dem Norden, so die Lady im Wahlkampf, werde sie sich offenherzig zeigen.

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