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Aus: Ausgabe vom 07.04.2012, Seite 16 / Aktion

jW wird eingestellt …

… und existiert doch. Warum die Zeitung vor 17 Jahren nicht verschwand
Von Dietmar Koschmieder
Vor 17 Jahren gab es keine junge Welt mehr. Am 5. April 1995 wurde der Belegschaft mitgeteilt, daß an diesem Tag noch eine Ausgabe erstellt und danach die junge Welt eingestellt wird. Am 6. April erschien die letzte Ausgabe, am 7. war Schluß.

Wenige Tage später, Gründonnerstag und Ostersamstag 1995 dann die Wiederauferstehung der jungen Welt: Es erschienen zunächst zwei Notausgaben mit jeweils vier Seiten Umfang. Der Verlag 8. Mai GmbH war in Gründung, die Genossenschaft zunächst nur eine Idee. Heute, 17 Jahre später, ist das Projekt junge Welt noch immer gleichermaßen realistisch wie unmöglich: Eine Tageszeitung, die keinem großen Verlag, keiner Partei oder Kirche gehört, die sich zudem als antikapitalistisch-marxistische Zeitung versteht, kann aus eigener Kraft nicht existieren. Entweder zerstreiten sich die Akteure politisch, oder aber sie können nicht mit Geld umgehen. Meistens trafen gleich beide Vorurteile zu. Politischer Streit und Geldsorgen prägten zwar auch diese 17 Jahre – zugrunde gegangen ist die Zeitung dennoch nicht. Dafür gibt es drei wesentliche Ursachen. Erstens hat die junge Welt über alle Differenzen und Irritationen hinweg in zentralen inhaltlichen Fragen eine klare, auch für die Leserinnen und Leser nachvollziehbare Grundhaltung erarbeitet und bewahrt, so in Sachen Krieg und Frieden, Internationalismus und so­ziale Frage. Schon deshalb ist sie auf dem deutschen Tageszeitungsmarkt einzigartig. Zweitens ist die junge Welt nicht einfach eine Ware, die von Jobverrichtern erstellt und von Endverbrauchern konsumiert wird. Mitarbeitende in Verlag und Redaktion standen und stehen in klarer Mehrheit zu dieser Zeitung nicht nur mit ihrer guten (und bis heute unterbezahlten) Arbeit, sondern kümmern sich auch um Dinge, die nicht ihren direkten Arbeitsauftrag betreffen. Die Leserinnen und Leser der Zeitung schätzen an der jungen Welt nicht nur den konkreten Nutzwert. Sie sind als Genossinnen und Genossen Eigentümer und Herausgeber der Zeitung, wirken aber auch am Erstellen und Verbreiten der Zeitung mit. Ohne die Mitwirkung der Lesenden gäbe es diese Zeitung heute nicht mehr. Drittens aber schaffen es die Beteiligten bisher, mit dem Widerspruch klarzukommen, daß diese Zeitung für eine sozialistische Zukunft eintritt, aber unter knallhart kapitalistischen Bedingungen hergestellt werden muß. Hier liegen auch große, noch ungeklärte Probleme: Gehälter müssen auch bei der jungen Welt auf Dauer ausreichen, um die Arbeitskraft reproduzieren zu können. Und der Abopreis kann nicht einfach ohne Limit erhöht werden – weil vielen Leserinnen und Lesern enge ökonomische Grenzen gesetzt sind.

Die Lösung dieser Probleme kann nur darin bestehen, daß zum einen diejenigen, die es sich leisten können, die Zeitung abonnieren und uns auch auf andere Weise unterstützen. Und zum anderen, daß dieser Kreis nicht kleiner, sondern größer wird. Vor zwei Wochen haben wir an dieser Stelle deshalb eine Anleitung zum Handeln in sieben Punkten veröffentlicht. Seither gingen über 50 Einzelspenden für den Lese- und den Prozeßkostenfonds ein, im einzelnen von zwei bis zu 250 Euro. Beispielhaft sei hier unser Leser E. Rasmus genannt, der uns schreibt: »Trotz Ost-Almosenfrührente und Hartz-IV-Betroffenheit überweise ich wiederholt zehn Euro für den Prozeßkostenfonds.« Eine Reihe von Anträgen zur Aufnahme in die Genossenschaft und Aufstockung von Anteilen sind beim Genossenschaftsvorstand eingegangen. Noch etwas zurückhaltend wird auf den Aufruf, die junge Welt zu abonnieren, reagiert. Vor allem im Internet lesen noch immer Tausende die Zeitung, ohne ein Onlineabo abzuschließen. Es gilt aber für den Print- wie den Onlinebereich: Eine Zeitung wie die jW kann nur existieren, wenn sie regelmäßige und kalkulierbare Einnahmen über Abonnements erzielt – wenn also diejenigen, die die Zeitung nutzen, das Bezahlen nicht wie bei anderen Blättern üblich Anzeigenkunden oder Parteien überlassen. Wie zum Beispiel Helmuth Greiner aus Wien. Er hat ein Soliabo eingerichtet und übermittelt uns einige Ideen zur Verbesserung unseres Internetauftritts. Er will die junge Welt finanziell unterstützen, damit sie überhaupt in die Lage versetzt wird, solche Verbesserungen zu realisieren. Oder Steffen Weise: Er ist seit Jahren begeisterter Leser der jungen Welt, kann sich aber erst jetzt ein Abo und einen Genossenschaftsanteil leisten. Er schlägt vor, daß die finanziell Bessergestellten Abonnements für jene übernehmen, die sich die Zeitung nicht leisten können. Damit der Anteil an zahlenden Leserinnen und Lesern aber auch kontinuierlich steigen kann, muß die Zeitung immer bekannter werden. Das Vermitteln von Probeabonnenten und das Verteilen von Zeitungen bei Veranstaltungen sind dazu hervorragende Möglichkeiten. Auch dabei sind wir auf die Hilfe unserer Leserinnen und Leser angewiesen.

Wir machen unsere Wunder selber, lautete die Überschrift auf der Ak­tionsseite vor 17 Jahren. Und wie das halt so ist mit Wundern, um die man sich selber kümmern muß, weil man nicht auf die Hilfe eines höh’ren Wesens spekuliert: Es steckt harte Arbeit dahinter. Und der solidarische Umgang miteinander, auch und gerade in knallhart kapitalistischen Zeiten.

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