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Aus: Ausgabe vom 08.04.2006, Seite 13 / Feuilleton

Klüger, als der Klassenfeind erlaubt

Zum Tod des Kolumnisten Walter Boehlich

Die Walter-Boehlich-Kolumne war in der titanic der intellektuelle Solitär. Mit das beste, was vom Linksliberalismus der sechziger Jahre und damit auch vom Anti-Adenauer-Anspruch des untergegangenen titanic-Mutterschiffs Pardon übriggeblieben war. Der Kolumnist ist im Alter von 84 Jahren in Hamburg gestorben. Walter Boehlich schrieb seine Kolumne von 1979 bis 2001. »Sie müssen immer gegen alle sein«, verriet er einmal seinen politischen Ansatz in der BRD. In den sechziger Jahren war er Cheflektor des Suhrkamp-Verlags und erkannte recht schnell, daß es mit der geistigen Strahlkraft des Verlagschefs nicht sonderlich weit her war. Zusammen mit anderen klugen Leuten wie Klaus Reichert und Hans Magnus Enzensberger verließ er Unselds Showbetrieb und arbeitete bis ins hohe Alter als freier Publizist, weil er eben nicht käuflich war und deshalb schauen mußte, wo er blieb. Er übersetzte aus dem Französischen, Spanischen und Dänischen, rauchte ununterbrochen Pfeife und war dabei stets klüger, als der Klassenfeind erlaubt.

(jW)





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