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Aus: Ausgabe vom 13.05.2014, Seite 3 / Schwerpunkt

»Entschlossenheit so groß wie eh und je«

Nach seiner Entlassung am 4. Mai aus viertägiger Untersuchungshaft im Verhörzentrum der nordirischen Polizei PSNI in Antrim gab Gerry Adams, Präsident der irischen Linkspartei Sinn Féin und Mitglied im irischen Parlament Dáil, eine Pressekonferenz. jW dokumentiert eine leicht gekürzte und durch einzelne Erläuterungen ergänzte Fassung:

Ich kam freiwillig aus dem Dáil in die PSNI-Kaserne. Mein Rechtsanwalt hatte der PSNI bereits vor zwei Monaten meine Bereitschaft zu einem Treffen mitgeteilt. Grund hierfür waren neue Spekulationen der Medien, die mir eine Beteiligung an der Tötung von Jean McConville unterstellen. Wegen des Zeitpunkts hatte ich Bedenken, da Sinn Féin irlandweit mitten im Wahlkampf wichtiger Europa- und Kommunalwahlen steckt. (…)

Ich danke allen, die gute Wünsche an meine Familie oder an meine Genossen in Sinn Féin geschickt haben, für ihre Solidarität. Ich möchte noch einmal betonen, daß ich keinen Anteil an der Entführung, Tötung oder dem Verbergen der Leiche von Frau McConville habe. Ich habe gemeinsam mit anderen hart daran gearbeitet, dieses Unrecht wiedergutzumachen und ich werde mich weiterhin dafür einsetzen. (…)

Ich denke daran, daß sich am 5. Mai 2014 der Todestag des Hungerstreikenden und Abgeordneten Bobby Sands jährt, der in den H-Blocks (des nordirischen Gefängnisses Long Kesh, jW) starb. In meiner Zelle dachte ich an den schrecklichen Sommer von 1981. Natürlich ist es weder 1981 noch 1972. Es gibt kein Zurück. Aber es ist nötig, die Vergangenheit und insbesondere das Thema der Opfer und ihrer Familien zu bewältigen. Sinn Féin ist dazu bereit. (…)

Ich kam nicht in der Erwartung einer bevorzugten Behandlung zur PSNI. Jedermann muß fair behandelt werden. Andere Signale ermutigen die Ewiggestrigen. Deshalb will ich hier zu meiner Verhaftung Stellung nehmen. Niemand hat diejenigen, die meine Verhaftung und ihre Dauer angeordnet haben, gezwungen, die unsägliche Sondergesetzgebung (im Antiterrorbereich, jW) heranzuziehen. Sie hätten nicht die Mitte des Wahlkampfs wählen müssen. Trotz allem unterstütze ich die Polizei und werde weiterhin gemeinsam mit anderen an der Schaffung einer von Grund auf bürgernahen Polizei arbeiten.


Die alte Garde in der Führung der Polizei, in den Reihen des (probritischen, jW) Unionismus, an den Rändern des Republikanismus und in den dunklen Ecken des britischen Systems, stemmt sich gegen Veränderungen. Es darf ihr nicht erlaubt werden, der Bevölkerung – egal ob Protestant, Katholik oder Atheist – eine Gesellschaft zu verwehren, die Bürger und ihre Rechte in den Mittelpunkt stellt, so wie es das Karfreitagsabkommen vorsieht.

Als irischer Republikaner möchte ich in einem friedlichen Irland leben, das auf Gleichheit beruht. Ich habe mich nie von der IRA distanziert. Ich bin aber froh, daß ich gemeinsam mit anderen einen friedlichen und demokratischen Weg in die Zukunft für alle geschaffen habe. Die Vernehmungsbeamten legten großes Gewicht auf meine Zeit in der Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre, meine damaligen Verhaftungen und meine Teilnahme an den Friedensgesprächen von 1972. Sie legten mir Zeitungsartikel, Fotogra­fien von Martin McGuinness und mir auf republikanischen Beerdigungen, Bücher und andere offene Quellen vor. Viele Vernehmungen drehten sich um das sogenannte Belfast-Projekt von Paul Bew, einem früheren Berater des Unionisten-Chefs David Trimble, das von Ed Moloney und Anthony McIntyre vom Boston College durchgeführt wurde. Beide sind Gegner unserer Friedensstrategie. Sie interviewten frühere Republikaner, die uns bei Sinn Féin wegen unserer Unterstützung des Karfreitagsabkommens und der Polizei feindlich gesinnt sind. (…) Ich habe alle Beschuldigungen, die gegen mich in den Boston-Tapes erhoben wurden, zurückgewiesen.

Für unsere Gesellschaft gibt es nur den Weg nach vorn. Meine Entschlossenheit ist so groß wie eh und je: für den Frieden und gegen die Kräfte, die sich drohend gegen Gleichheit und Gerechtigkeit als Grundlage der Gesellschaft stellen.



Übersetzung: Uschi Grandel

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