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25.06.2017, 18:05:52 / No G20

Yes, we camp!

Hamburg: Verfassungsbeschwerde gegen Verbot des G-20-Protestzeltlagers im Stadtpark angekündigt. Demo gegen provisorischen Knast
Von Kristian Stemmler
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Protestieren im Liegen vor schwarzem Polizeiblock auf der Demo gegen die für den G-20-Gipfel eingerichtete Gefangenensammelstelle am Samstag in Hamburg-Harburg

Die Organisatoren des im Hamburger Stadtpark geplanten »antikapitalistischen Camps« für rund 3.000 Gegner des am 7. und 8. Juli stattfindenden G-20-Gipfels setzen jetzt auf das Bundesverfassungsgericht. Am Sonnabend kündigten sie an, noch am Wochenende in Karlsruhe Beschwerde gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Hamburg vom Freitag einlegen zu wollen. Das OVG hatte ein Verbot des Camps bestätigt und damit den gegenteiligen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 21. Juni aufgehoben.

Mit diesem Beschluss, so die Camp-Organisatoren, spiele das OVG den Politikern und Behörden in die Hände, »die seit Monaten auf jede erdenkliche Weise« versuchten, »den Protest gegen den Gipfel zu verhindern«. Das Gericht habe nicht ausreichend gewürdigt, »dass das Camp als ganzes Teil des Protestes gegen den G 20 ist und Versorgungsinfrastruktur sowie Übernachtungszelte zwingend notwendig für eine solche Dauerkundgebung sind«.

Rückenwind für die Organisatoren der zwei geplanten Camps – ein weiteres soll im Altonaer Volkspark eingerichtet werden –, kam von den Hamburger Grünen, die die Hansestadt mitregieren. Die Landesmitgliederversammlung sprach sich am Sonnabend dafür aus, dass die Stadt eine geeignete Fläche für ein Protestcamp der G-20-Gegner bereitstellt. Auf diesen Beschluss werden Hamburgs SPD-Granden und die Polizeiführung vermutlich ebensowenig geben wie auf eine Äußerung von Justizsenators Till Steffen (Grüne) Mitte April. Er hatte damals nach ersten Meldungen über ein Demoverbot vollmundig erklärt: »Wir sind uns im Senat einig. Es wird keine Demonstrationsverbotszone geben.« Neun Wochen später zog Innensenator Andy Grote (SPD) eine Allgemeinverfügung der Polizei aus der Tasche, die am 7. und 8. Juli Kundgebungen in einer 38 Quadratkilometer großen Zone von der Innenstadt bis zum Flughafen verbietet.

Noch aber darf fast überall demonstriert werden. So protestierten am Samstag abend etwa 450 Menschen im Stadtteil Harburg friedlich unter dem Motto »Gesa to hell« gegen die »Gefangenensammelstelle« (Gesa) mit 400 Haftplätzen für festgenommene Aktivisten, die bereits nahe dem Harburger Bahnhof eingerichtet wurde. Die Kosten für den Umbau des zuletzt als Erstaufnahmestelle für Geflüchtete genutzten ehemaligen Lebensmittelmarktes zum provisorischen Gefängnis belaufen sich auf rund drei Millionen Euro. Mehrere hundert Beamte begleiteten den Aufzug, der erst mit einer Stunde Verspätung starten konnte. Demonstranten nannten den Großeinsatz »völlig unverhältnismäßig«. Zuvor hatten in der Innenstadt nach Polizeiangaben rund 650 Menschen für eine Änderung der Flüchtlingspolitik demonstriert. Unter dem Motto »Wir sind hier« wollten sie zugleich ein Zeichen gegen den G- 20-Gipfel setzen. Zu der Demo hatten unter anderem der Hamburger Flüchtlingsrat und die Gruppe »Lampedusa in Hamburg« aufgerufen.

Der Verfassungsschutz rechnet unterdessen damit, dass während des Gipfels Kurden und Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aneinandergeraten könnten. »Kurden könnten nationalistische Türken angreifen und umgekehrt«, sagte ein Verfassungsschützer der Welt am Sonntag (WamS).

Laut WamS werden beim Gipfel 15.000 Beamte der Länderpolizeien eingesetzt, dazu knapp 4.000 Bundespolizisten und 1.000 Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA). Das Blatt zitiert einen Polizeiinsider mit den Worten, trotz vieler Szenarien, die man durchgespielt habe, wisse man nicht, »was genau an welchem Ort und zu welchem Zeitpunkt« auf die eingesetzten Kollegen zukommen werde.

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