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Aus: Ausgabe vom 20.06.2006, Seite 2 / Ausland

Vorschußlorbeer von Annan

Konstituierung des UN-Menschenrechtsrats in Genf. USA verweigerten Kandidatur
Der neue Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ist am Montag in Genf zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengekommen. »Eine neue Ära auf dem Feld der Menschenrechte« habe begonnen, schwelgte UN-Generalsekretär Kofi Annan in seiner Eröffnungsrede. Nunmehr biete sich für die UN die »großartige Chance«, den »Kampf für die Menschenrechte zu erneuern«. Alles soll besser werden, so der Tenor unter den 47 Ratsmitgliedern. Wie das allerdings geschehen soll, welche Inhalte unter dem Begriff »Menschenrechte« zu fassen sind und welche Durchsetzungsmöglichkeiten zur Umsetzung von Arbeitsergebnissen existieren, darüber herrscht alles andere als Einigkeit.

»Lassen Sie nicht zu, daß dieser Rat sich in politische Taktik oder kleinliche Manöver verstrickt«, sagte Annan an die Delegierten gewandt. Bereits mit Beginn der Ratsarbeit demonstrierte die Europäische Union die Schwachstellen des neuen Gremiums als Nachfolgeorganisation der UN-Menschenrechtskommission. So redete die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik, die im Namen der EU in Genf auftrat, vom »festen Glauben« der Union daran, daß »der Kampf gegen den Terrorismus unter Einhaltung der Menschenrechte geführt« werden müsse. Daß die EU-Vertreterin ihre mahnenden Worte »offensichtlich an die USA gewandt« – so die Agentur AP – sprach, lag auf der Hand. Daß sie den Adressaten trotzdem nicht nannte, hatte mit eben jener »politischen Taktik« zu tun, vor der Annan kurz zuvor gewarnt hatte.

Keinerlei Taktik bedienten sich ansonsten sogenannte Menschenrechtsorganisationen sowie viele mediale Beobachter des Geschehens. Sie kritisierten durchweg, daß unter anderem Rußland, China und Kuba in das Gremium gewählt worden waren, und dieses seien Staaten »mit schlechter Menschenrechtsbilanz«. Dagegen wurde die Menschenrechtslage in den sieben westlichen Mitgliedsstaaten und auch nicht in den USA angesprochen. Washington hatte sich gar nicht erst um einen der Mitgliedssitze in dem Gremium beworben. Zu groß schien die Unsicherheit, nicht gewählt zu werden. Also lehnte die Supermacht eine Kandidatur mit der Begründung ab, daß ein »uneffektives Organ« geschaffen werde. Die Ausschlußmöglichkeiten für Menschenrechtsverletzer gingen »nicht weit genug«, so Washington.

Auf der ersten Sitzung wollten die Delegierten vor allem Verfahrensfragen klären. So sollte es darum gehen, wie die Lage der Menschenrechte in den 191 UN-Mitgliedstaaten geprüft werden kann. Das Treffen dauert bis zum 30. Juni.(AFP/AP/jW)