Alfred Brendel gestorben
Der österreichische Pianist Alfred Brendel ist tot. Er starb am 17. Juni im Alter von 94 Jahren in London. Am 5. Januar 1931 im heute tschechischen Wiesenberg geboren, erhielt er in seinem bürgerlichen Elternhaus erste Klavierstunden. Während des Krieges lebte die Familie zeitweise in Jugoslawien, nach der Rückkehr nach Österreich studierte er am Konservatorium in Graz. Schon mit 17 trat Brendel öffentlich auf, in den 1950er Jahren wurde er als Konzertpianist auch international bekannt. In dieser Zeit machte er seine ersten Aufnahmen, denen über die Jahrzehnte unzählige Tonträger folgten.
Er spielte zahlreiche Zyklen von Beethovens Sonaten und Konzerten und nahm als Erster das vollständige Klavierwerk auf. Brendel wird ein maßgeblicher Anteil daran zugeschrieben, Haydns Bedeutung als Komponist hervorgehoben zu haben. Brendels Interpretationen von Haydn, Mozart, Beethoven oder Schubert wurden weltberühmt. Schuberts Musik sei für ihn »die am unmittelbarsten berührende«, sagte er, die Gesamtheit seiner Lieder sei »einer der Gipfel der Musik«. Brendels Einfluss war groß: Wenn er sich der Werke eines Komponisten annahm, wurden sie populär. Konstant tourte er um den Globus und wurde allerorten gefeiert – auch wenn er bisweilen ein Konzert unterbrach, weil ihm im Publikum zu viel gehustet wurde.
Kokett entschuldigte sich Brendel in seinem Buch »Nach dem Schlussakkord« (2010) bei den Komponisten »für alles, was ich ihnen angetan habe«. Weiter schrieb er: »Dem Werk gerecht zu werden, ist schwierig genug, gelingt selten genug und ist, wie ich finde, aufregend genug.« Neben dem Spielen und dem Komponieren war das Schreiben ein »zweiter Lebenszweck« für Brendel. Er verfasste zahlreiche Bücher und Essays über Musik, dazu skurrile Gedichte, etwa über »ein Speckschwein, ein richtiges Speckschwein«, das täglich bei ihm anruft. »Grunzend erzählt es mir sein Leben, wühlt metaphorisch gesprochen im eigenen Schlamm.« Seit den 1970er Jahren lebte der vierfache Familienvater und Großvater in London. »Wien war damals provinziell. Ich sehnte mich nach einer großen lebendigen Stadt.« (dpa/jW)
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