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Aus: Ausgabe vom 30.03.2023, Seite 11 / Feuilleton
Kulturwissenschaft

Der letzte Privatgelehrte

Der Kulturhistoriker und Publizist Wolfgang Schivelbusch ist tot. Er starb am Sonntag in Berlin, wie diverse Medien berichteten. Schivelbusch wurde am 26. November 1941 in Berlin geboren und wuchs in Frankfurt am Main auf. Er studierte Literaturwissenschaften und Soziologie in Berlin und in Frankfurt am Main, später wieder bei Peter Szondi in Berlin. Seine Doktorarbeit schrieb er über das Theater nach Brecht bei Hans Mayer. Seinem Erinnerungsbuch »Die andere Seite« (2021) zufolge war es ­symptomatischerweise ein blumiger Moment in einem Rilke-Seminar von Szondi, der ihn dazu brachte, sich vermehrt der sinnlichen Gewissheit der Dinge zuzuwenden. Sein zumindest im deutschen Sprachraum in den 70er Jahren neuer theoretischer Dreh war es, Mentalitätsgeschichte als Technikgeschichte zu schreiben. Davon zeugt seine Trilogie über die Geschichte der Eisenbahnreise (1977), der Drogen und Genussmittel (1980) sowie der elektrischen Beleuchtung (1992). Schivelbusch bekleidete im Laufe seiner Forscher- und Schriftstellerkarriere nie ein offizielles akademisches Amt. Er blieb ein anachronistischer Privatgelehrter und (politisch konservativer) Nonkonformist. (jW)

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