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Aus: Ausgabe vom 25.09.2012, Seite 3 / Schwerpunkt

Reallohnabbau stoppen, Verteilungsfrage neu stellen, politisches Streikrecht durchsetzen

Aus der Resolution des gewerkschaftspolitischen Ratschlags am 22. und 23. September in Frankfurt am Main:

Die beim gewerkschaftspolitischen Ratschlag in Frankfurt versammelten Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedenen DGB-Gewerkschaften haben sich mit den aktuellen Herausforderungen auseinandergesetzt, vor denen die Gewerkschaften in der Krise stehen. Gewerkschaften in der Krise in doppelter Bedeutung: Zum einen, weil es sich nicht nur um eine tiefgreifende Wirtschaftskrise handelt, es ist auch eine ökologische Krise, eine Ernährungskrise usw. Zum anderen, weil ganz unübersehbar die Gewerkschaften – auch in der Bundesrepublik – selbst in der Krise sind: Ihre faktische Gestaltungsmacht ist gesunken. Die Mitgliedsverluste der letzten 20 Jahre in den meisten Einzelgewerkschaften sind nicht gestoppt, geschweige denn wieder ausgeglichen. (…) Die Gewerkschaften sind (…) sehr weit von einer Position der Gegenmacht abgerückt. Dies erweist sich vor allem bei folgenden Fragen:

– In der Frage der Euro-Krise vermissen wir bei den Gewerkschaftsführungen eine klare Positionierung internationaler Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen in den südeuropäischen Ländern, die unter der grausamen Sparpolitik der Troika leiden. Statt dessen haben die Gewerkschaftsführungen sogar an die Bundestagsabgeordneten appelliert, dem Stabilitätspakt zuzustimmen, der genau diese Politik fortsetzt und verschärft. Das halten wir für skandalös. (…)

– Wir begreifen prekäre Beschäftigung als Herausforderung an alle Gewerkschafter. Sie ist eine Bedrohung und ein Druckmittel auf alle Beschäftigten. Speziell die Leiharbeit müßte unmöglich gemacht werden, was mit Bezug auf den Grundsatz »Equal pay and equal treatment« (gleicher Lohn und gleiche Behandlung für gleichwertige Arbeit) eigentlich leicht zu machen wäre. Aber die Gewerkschaften haben ihre Unterschrift unter Leiharbeitstarifverträge gesetzt, was diesen Grundsatz unterläuft und den Kampf der Gewerkschaften gegen Billiglöhne und Leiharbeit politisch völlig unglaubwürdig macht. Wir machen uns für die Abschaffung der Leiharbeit stark.


– Wir setzten uns dafür ein, den fortgesetzten Reallohnabbau zu stoppen und die Verteilungsfrage neu zu stellen. Wir erwarten dies auch von unseren Gewerkschaftsvorständen. Allerdings haben ver.di und IG Metall es auch dieses Jahr versäumt, ihre Tarifrunden offensiv zu führen, miteinander zu verschränken und zu einer politischen Auseinandersetzung zu machen. Wir engagieren uns für eine aktive Tarifpolitik und wollen Armut und Reichtum zum Thema der gesellschaftlichen Auseinandersetzung machen. Dabei scheuen wir uns auch nicht, die Systemfrage zu stellen.

– Wir betrachten die Arbeitszeitverkürzung als ein zentrales, wenn nicht das zentrale Instrument im Kampf gegen Erwerbslosigkeit und Unterbeschäftigung und erwarten eine solche Haltung auch von den Gewerkschaftsführungen. (...)

– Das Streikrecht ist bedroht, u.a. durch die Aktivitäten des Kapitalverbandes BDA, der dies durch Gesetzesänderungen massiv einschränken will. Hier darf keine Gewerkschaft mitspielen! Und: Wegducken hilft nicht. Vor allem das politische Streikrecht wird in Zukunft immer wichtiger werden und wir werden es nur dann durchsetzen, wenn wir das Streikrecht praktisch in Anspruch nehmen, also nicht Streiks vermeiden, sondern so oft und so intensiv wie möglich auch real wahrnehmen. (...)

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