Gegründet 1947 Freitag, 26. April 2024, Nr. 98
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Blog

  • 21.09.2021 14:09 Uhr

    »Kommunistische Partei, was denn sonst?«

    Über historisches Interesse von Linken, Sichdrücken vor Lenin und den Zusammenschluss von Ausgebeuteten und Kriegsgegnern. Ein Gespräch mit Dietmar Dath
    Interview: Arnold Schölzel
    Erscheinungsdatum des Plakats unbekannt
    Erscheinungsdatum des Plakats unbekannt

    Sollten sich heutige Linke mit der KPD-Gründung befassen? Wenn ja, womit besonders?

    Von denjenigen Linken, die von der Geschichte nichts wissen wollen, will die Geschichte nichts wissen. An der KPD interessiert historisch ganz besonders der Zeitpunkt ihrer Gründung – geschah sie zu früh? Zu spät? Gerade richtig? –, ihre Verankerung in den Klassenkämpfen des Sprachraums, mit dem sie reden musste. Die war anfangs gewährt, dummerweise eher nicht durch Verankerung überall vor Ort, sondern durch ihre prominentesten Leute, die diese Klassenkämpfe nicht losgelassen hatten, als die SPD 1914 ihren ersten unverzeihlichen praktischen und etwa zehnten theoretischen Verrat beging. Ihre auf Kenntnis beruhende Vernetzung mit dem Weltkommunismus – zuerst noch beklagenswert niedrig – und ihr hohes theoretisches Niveau, verbürgt wiederum durch die berühmten Leute in ihren Reihen, darunter die Berühmteste: Rosa Luxemburg.

    In der Reihe Basisbiographien erschien bei Suhrkamp 2010 Ihre Arbeit über Rosa Luxemburg. Darin schreiben Sie: »Wer zu Beginn des 21. Jahrhunderts aktuelle Schriften der weltweiten, sich gerade erst von schwersten Niederlagen erholenden Linken studiert, begegnet überall Luxemburgs Denken.« Und: »Die Gejagte zum Schweigen zu bringen, das ist den Jägern missglückt.« Rosa Luxemburg hat neben Karl Liebknecht maßgeblich den Gründungsparteitag der KPD und deren erstes Programm geprägt. Warum spielt das bei vielen, die sich heute auf sie berufen, keine Rolle?

    Weil viele, die sich heute auf sie berufen, das tun, um in Schönheit und Reinheit zu sterben oder bei Gelegenheit sagen zu können: Für den Kommunismus arbeiten, das ist zu schwer, man sieht ja, man verliert nur, selbst Rosa Luxemburg ist den Schweinen unterlegen usw. – also: als Ausrede für das seit mehr als hundert Jahren bei jenen »vielen« sehr beliebte Sichdrücken um den Leninismus.

    Sehen Sie Unterschiede zu Lenins Parteiauffassung?

    Ich möchte sehr davor warnen, die Weltgeschichte als einen Kampf von Ideen und Auffassungen zu sehen. Sie besteht aus Streit von Interessen, und nicht einmal die Partei, welche die eigenen ungeschickt – oder mit zuwenig Theorie oder zuviel Theorie oder falscher Theorie verfolgt –, verliert unbedingt immer – es ist lustigerweise sogar vorgekommen, dass die Dummen mal die Stärkeren waren. Das passiert zum Beispiel, weil die Klügeren nachgeben oder wo umgekehrt die Dummen aus Zufall oder Laune in einem wichtigen Moment die Flexibleren sind, wo die Klugen zu stur bleiben usw. – also: die bürgerliche, vor allem die linksbürgerliche Geschichtsbetrachtung begeistert sich gern für Rosa Luxemburgs Text »Massenstreik, Partei und Gewerkschaften« (1906), wo von Spontaneität und breitem Aufruhr die Rede ist und die Partei eher eine Art wichtiger Randbedingung des Umsturzes darstellt, so etwas wie eine Art Unterschrift unter den gesalzenen Brief, den die Massenaktion der herrschenden Klasse schreibt, damit sie das Feld räumt.

    Bei Lenin in »Was tun?« (1902) dagegen ist die Partei dagegen das Brennglas, durch das die Sonnenstrahlen der Theorie auf einen schlechten Zustand scheinen und davon gebündelt werden, bis der Zustand brennt. Was sich aber mehr unterschied bei den beiden als diese Auskünfte der Lehre war der reale Instrumentalismus, die unterschiedliche Geschicklichkeit. Es gibt Leute, die sagen, Lenin hat seine Arbeitszusammenhänge früher von den rechten Sozialdemokraten getrennt und war also spaltungswilliger, daher erfolgreicher. Beides war er zwar im entscheidenden Moment wirklich, aber man darf nicht vergessen, dass er deswegen noch lange kein Sektierer war, sondern im Gegenteil selbst den sogenannten Sozialrevolutionären, so etwas wie dem zeitgenössischen Pendant der abscheulichen Grünen, gelegentlich entgegenkam, wenn sie eine gute Idee hatten – wodurch ihm unter anderem gelang, der aufmerksamen Mehrheit des wachen Publikums zu demonstrieren, dass er die guten Ideen der Konkurrenz oft genug viel ernster nahm als diese selbst.

    Vor allem aber tat Lenin, was immer er in Parteidingen tat, nicht aus dem Impuls, einer Theorie zu folgen, sondern aus dem viel wichtigeren, nur oberflächlich ähnlichen, den noch Unwissenden die Wahrheit dieser Theorie zu demonstrieren. Er machte mit Parteipolitik den Marxismus bekannt und mächtig, seine Beweise standen als Nachrichten in der Zeitung, die von Rosa Luxemburg eher als Überlegungen in Büchern. Dafür konnte sie wenig; die Umstände waren ihr ungünstiger, die Sozialdemokratie im deutschsprachigen Raum war besonders abgefeimt und schon viel zu trainiert im Heucheln, im Zermürben der Besten in ihren Reihen, im Opportunismus und Revisionismus, als Rosa Luxemburg zu ihr stieß. Da blieb ihr wenig mehr, als zu argumentieren, und das ist halt leider immer die ohnmächtigste Form der Praxis.

    Rosa Luxemburg hielt eine kommunistische Partei für ein unerlässliches Instrument im Kampf gegen den imperialistischen Krieg. War das zu sehr der Zeit verhaftet? Was bedeutet es für heute?

    Wie nennt man einen Zusammenschluss, in dem alle – sowohl die Berufssoldatin wie der deklassierte Intellektuelle wie die Friseuse wie der Müllfahrer wie die Ärztin wie der arbeitslose Zahntechniker wie der selbstausbeutende Journalist – Kontakt mit den Klassenkämpfen aller anderen in dieser Aufzählung halten können und dann, wenn die nationalen und übernationalen Verabredungen und Antagonismen zwischen den verschiedenen Abteilungen des Feindes, der Ausbeuterklasse, wieder mal einen Krieg anzetteln, mit einer Idee von einer besseren Gesellschaft im Kopf diesem Krieg widerstehen? Sicher nicht Gewerkschaft, denn ganz offensichtlich passen nicht alle Genannten in dieselbe. Sicher aber auch nicht »Bewegung«, denn diese Menschen werden sich, ihre so unterschiedlichen konkreten Probleme – welche alle ja ein bis drei abstrakte Gesamtprobleme vermitteln – vorausgesetzt, nicht synchron und also schlagkräftig »bewegen« können, wenn das nicht sehr arbeitsaufwendig koordiniert wird. Also, man nenne das, was die alle brauchen, wie man will, aber es ist doch eine kommunistische Partei, was denn sonst?

  • 20.09.2021 12:15 Uhr

    Für einen Tag? Die Mühe lohnt!

    Verstetigte Tendenzen: Zur Kunstausstellung der 24. Rosa-Luxemburg-Konferenz im Januar
    Dirk Keul
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    »Der Porträtierte stellt auch selbst aus« (Bild von Irmgard Voelz)

    Seit sechs Jahren bereichert das Berliner Künstlerkollektiv der »Gruppe Tendenzen« die Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK). Die erfreuliche Verstetigung bedeutet: Nach der Konferenz ist vor der Konferenz, und so war bereits im Frühjahr das Thema der Ausstellung zur bevorstehenden 24. RLK gefunden: »Für antiimperialistische Solidarität und sozialen Fortschritt. Abrüsten statt aufrüsten!« Es folgten Konkretisierungen im Vorbereitungsbündnis und ein Teilnahmeaufruf an Künstler. Eine große Zahl von Einsendungen stellte eine fünfköpfige Jury vor die schwierige Entscheidung, welche Objekte im begrenzten Ausstellungsraum aufgehängt oder sonstwie plaziert werden.

    Am Tag der Konferenz, dem 12. Januar, werden mehr als 50 Exponate von 21 Künstlern zu sehen sein, darunter Öl- und Acrylbilder auf Leinwand, Collagen, Grafiken und Zeichnungen sowie vier Installationen. Ein enormer Organisationsaufwand für eine ehrenamtliche Kreativbrigade im Pensionsalter. Alles für einen einzigen Präsentationstag? Die Mühe lohnt! Mehr als 3.000 Augenpaare werden mit den vielfältigen Umsetzungen des Aufrufs befasst sein, den klaren plakativen Werken wie den verstörenden Installationen. Formen von Gegenkultur, die zu Diskussionen anregen werden.

    Sicherlich werden sich bei der Eröffnung um 10.30 Uhr einige an Veranstaltungen in der DDR erinnern, etwa die »Galerie der Freundschaft«, die Jahresausstellung des Kunstunterrichts an DDR-Schulen. Das Thema der diesjährigen RLK-Ausstellung stand damals schon auf der Tagesordnung, so erschreckend aktuell es heute ist. Und auch das Bild von Irmgard Voelz, auf dem ein Mann Picassos Friedenssymbol auf den Asphalt kreidet (ziert den Flyer zur RLK-Ausstellung), gehörte damals garantiert zu den Ideen großer und kleiner Meister.

    Dass sich Künstler eines Zirkels nicht nur über die Schulter schauen, sondern sich auch gegenseitig porträtieren, gehört zum kollektiven Streiten, Kämpfen, Schaffen. Der Porträtierte auf dem Bild von Irmgard Voelz stellt am 12. Januar auch selbst aus. Sie erkennen ihn unter den Teilnehmern der Konferenz. Wetten?

  • 21.09.2021 14:09 Uhr

    Werk der Revolutionäre vollenden

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    Die Ideen von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht werden von den Besuchern der Konferenz aufgegriffen

    Die junge Welt gibt es nicht nur digital oder in gedruckter Form: Sie findet auch einmal jährlich als Tagesveranstaltung in Form der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz statt. Ohne jW wäre diese Konferenz nicht durchführbar! Zeitung wie Konferenz sind einmalig im deutschsprachigen Raum, das erkennen auch immer mehr internationale Organisationen. So wird die kommende XXIV. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz am 12. Januar 2019 im Berliner MOA-Kongresszentrum mehr als je zuvor ein internationales Meeting linker Kräfte vor allem aus Europa, aber auch aus anderen Teilen der Welt. Delegationen fortschrittlicher Organisationen und Gewerkschafter sind bisher aus Großbritannien, Spanien, Österreich, Belgien, Dänemark, der Schweiz und aus Kuba, der Türkei und Luxemburg angekündigt.

    Die Ideen von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die vor einhundert Jahren die Kommunistische Partei Deutschlands mitbegründet und mit anderen Revolutionären den Kaiser und seine Getreuen davongejagt haben, werden von den Besuchern der Konferenz aufgegriffen: Wir erinnern gemeinsam daran, dass das Werk der Revolutionäre noch zu vollenden ist – so wie das die kubanischen Genossinnen und Genossen vor 60 Jahren vollbracht haben. Das ist kein Schnee von gestern, sondern dringende Zukunftsaufgabe. Es zeichnet sich schon heute ab, dass die kommende Konferenz die bestbesuchte ihrer Geschichte sein wird. Den Leserinnen und Lesern der jungen Welt empfehlen wir deshalb dringend, sich Einlassbänder im Vorverkauf zu sichern (online unter www.rosa-luxemburg-konferenz.de oder in der jW-Ladengalerie in Berlin). Alle Bestellungen, die uns bis zum 4. Januar erreichen, werden rechtzeitig ausgeliefert. Weil danach ein zuverlässiges Zusenden der Bänder nicht mehr gewährleistet werden kann, nehmen wir ab dem 5. Januar nur noch Reservierungen entgegen. Reservierte Einlassbänder müssen am Veranstaltungstag bis spätestens 10.45 Uhr an der Tageskasse abgeholt werden. Im Moment ist unklar, wie viele Restkarten an der Tageskasse ohne Vorbestellung noch verfügbar sein werden.

    Vorbereitungsgruppe Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz 2019

  • 21.09.2021 14:09 Uhr

    »Luxemburg hat Entwicklungen bereits aufgezeigt«

    Rosa-Luxemburg-Konferenz 2019 mit neuer Moderatorin: Über Inszenierungen, Lektüre und kapitalistische Krisen. Ein Gespräch mit Anja Panse
    Jan Greve
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    Rosa Luxemburg auf der Theaterbühne: Regisseurin Anja Panse (rechts) und Schauspielerin Susanne Jansen (Berlin, 22.5.2017)

    Als Schauspielerin und Regisseurin sind Sie auf vielen Theaterbühnen zu Hause. Was erwarten Sie, wenn Sie im Januar auf der Bühne der Rosa-Luxemburg-Konferenz die Moderation übernehmen?

    Es ist auf jeden Fall eine ganz andere Herausforderung. Dort kann ich mich nicht hinter einer Rolle verstecken, sondern werde da als die Person stehen, die ich bin. Ich freue mich sehr auf diese große Aufgabe. Mit meinem Theaterstück »Rosa – Trotz alledem« war ich bereits Teil der letzten Konferenz im Januar 2018. Von daher weiß ich ungefähr, wie viele Leute aus aller Welt da sein werden. Das ist auch etwas aufregend.

    Sie haben in diversen Städten gespielt, unter anderem in Rostock, Göttingen, Weimar, Berlin, auch in Polen sind Sie gewesen. Wie würden Sie Ihren Werdegang beschreiben?

    Angefangen habe ich mit einem Schauspielstudium in Rostock. In der Stadt habe ich zwölf Jahre gespielt, auf unterschiedlichen Bühnen. 2007 ergab sich für mich erstmals die Möglichkeit, ein Stück zu inszenieren. Die habe ich genutzt und dabei gemerkt, dass mir diese Arbeit sehr liegt. Von da an habe ich in jeder Spielzeit eine Inszenierung machen dürfen. 2009 entschied ich mich dann, die Seiten zu wechseln und verstärkt Regie zu machen. Auf diese Weise kann ich meine eigene Vision vom Theater besser verwirklichen. Daran hat sich bis heute wenig geändert, hauptsächlich arbeite ich als Regisseurin.

    Kann man von Ihnen als Moderatorin auch eine entsprechende Inszenierung der Rosa-Luxemburg-Konferenz erwarten? Hat Sie diese Aussicht dazu motiviert, die Aufgabe zu übernehmen?

    Das kann man so nicht sagen. Die Entscheidung, dort zu moderieren, hatte andere Gründe. Ich habe bereits im Vorfeld schon viel mit der jungen Welt zusammengearbeitet. In der Ladengalerie in Berlin habe ich zum Beispiel schon verschiedene Lesungen gemacht. Dann wurde ich seitens der jungen Welt gefragt, ob ich die Moderation übernehmen würde. So ist das gelaufen.

    In der Rezension Ihres Theaterstücks »Rosa – Trotz alledem« war vor gut einem Jahr in der jungen Welt zu lesen: »Regisseurin Anja Panse kennt sich sehr gut mit Rosa Luxemburgs Politik und Leben aus.« Ist dem so?

    Ja, das stimmt. Ich habe sehr viel gelesen, ihre Briefe aus dem Gefängnis, ihre politischen Schriften, auch Biographien über sie. Nach wie vor bin ich sehr beeindruckt von dieser Persönlichkeit. Ich habe das Theaterstück unter anderem deswegen gemacht, weil ich so viele Parallelen zu unserem heutigen Leben erkannt habe. Was Luxemburg damals gesagt hat, ist auch heute noch von großer Relevanz für uns.

    Zwischen politischen Gedanken und künstlerischen Ausdrucksformen besteht aus Ihrer Sicht eine Verbindung?

    Unbedingt. Zusammenhänge vernünftig und klar darzulegen ist das eine, die sinnliche Erfahrung das andere. Die Erkenntnis, dass wir uns in einer Krise befinden, lässt sich auch über Emotionen wahrnehmen. Auch Rosa Luxemburg muss die Leute früher bei Kundgebungen begeistert haben, sie hatte eine große Leidenschaftlichkeit.

    Der Titel der anstehenden Konferenz lautet »Sozialismus oder Barbarei«. Sie sprachen von einer Krise, in der wir uns aktuell befinden. Wo genau stehen wir?

    Wir können sehen, dass überall aufgerüstet wird. Globale Probleme nehmen zu, was wir unter anderem an wachsenden Fluchtbewegungen wahrnehmen können. In der »Akkumulation des Kapitals« hat Luxemburg diese Entwicklungen bereits aufgezeigt: Solange das Kapital herrscht, werden Aufrüstungen und Kriege niemals aufhören, weil der Kapitalismus die Krise braucht. Das zeigt sich heute mehr denn je. Bislang war Umweltzerstörung zum Beispiel für viele ein abstraktes Thema – heute sehen wir, was es bedeutet. Es gibt eine unheilvolle Stimmung, zumal viele sich ohnmächtig fühlen. Um so wichtiger ist es, zusammenzukommen und darüber zu diskutieren, was wir tun können – gerade in einer internationalen Runde.

  • 21.09.2021 14:08 Uhr

    »USA wollen sich Monopolrenten sichern«

    Kriege, Sanktionen, Austeritätspolitik: Die Vereinigten Staaten sind die imperialistische Hauptmacht. Ein Gespräch mit Michael Hudson
    Simon Zeise
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    Auf einer Anzeigetafel in Nigeria wird der aktuelle Dollar-Kurs ausgewiesen (Lagos, 15.5.2018)

    Imperialismus bedeutet Krieg …

    Nein, Krieg ist nur ein Mittel, mit dem der Imperialismus seine Ziele durchsetzt. Imperialismus bedeutet, sich die Einkommen und das Eigentum anderer Länder anzueignen; deren Politik zu bestimmen, sie abhängig von der imperialen Macht zu machen. Der Imperialismus schafft ein internationales System, dass unmittelbar vom Zentrum regiert wird.

    Wie wichtig ist der Dollar für den US-Imperialismus?

    Seit 1971, als die USA den Goldstandard aufgaben, ist der Dollar bis heute das Mittel, um sich das Geld anderer Länder anzueignen. Die Zentralbanken anderer Länder halten ihre Ersparnisse zum Großteil in Form von Krediten der USA, in US-Staatsanleihen oder anderen Investitionen in den Vereinigten Staaten. Allerdings hat sich in den vergangenen Monaten einiges verändert. Der russische Präsident Wladimir Putin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die US-Regierung andere Länder aus dem Dollar-Währungsgebiet treibt. China, Russland und andere Staaten sind verunsichert, ob sie ihr Geld in Dollar anlegen sollen, weil es ganz einfach beschlagnahmt werden kann. Hinzu kommt, dass sich diese Staaten darüber im klaren sind, durch den Erwerb von US-Staatsanleihen ihre eigene militärische Umzingelung zu finanzieren. Darauf sind sie selbstverständlich nicht besonders erpicht, weshalb sie mehr und mehr Geld in Gold und Euros investieren. Sie wollen nicht mit ihren Rücklagen den US-Rüstungshaushalt finanzieren.

    Wie setzen die USA ihre Interessen durch?

    Indem sie ihre eigenen Regeln schaffen. Die USA haben Sanktionen gegen Iran verhängt. Jedes Land, das eine Bank nutzt, um Handel mit Iran zu treiben, kann mit Milliardenstrafen belegt oder dessen Bürger können verhaftet werden. So ist es Anfang Dezember geschehen, als die Finanzchefin des chinesischen Technologiekonzerns Huawei, Meng Wanzhou, in Kanada festgesetzt wurde.

    Jedes Gesetz, das in den USA verabschiedet wird, muss in der Peripherie angewendet werden. Der Imperialismus hat eine totalitär geplante Wirtschaft geschaffen. Die Wirtschaft in der Peripherie wird vom ökonomischen Zentrum gelenkt. Die wesentlichen Akteure sind dabei die Vertreter der Wall Street und des Militärs.

    Auf militärischem Gebiet nehmen die USA für sich in Anspruch, jedes Land angreifen zu können. Kein Staat darf über ein militärisches Verteidigungssystem verfügen, das einer Intervention standhalten kann. Deshalb ist Washington das russische Verteidigungssystem ein so großer Dorn im Auge. Die Aufgabe der NATO ist es, sicherzustellen, dass ein eskalierender Konflikt zwischen Russland und den USA in erster Linie auf europäischem Boden ausgetragen wird.

    Welches Ziel verfolgt die US-Regierung in dem Handelskrieg mit China?

    Alle Industriekonzerne, die Monopolrenten abwerfen, sollen von den USA kontrolliert werden. Besonders mit neuen Informationstechniken können hohe Wachstumsraten erzielt werden. Die Vereinigten Staaten können nicht länger als ein produzierendes Land handeln, weil die sogenannten Arbeitskosten zu hoch sind. Washington hat die Absicht, die chinesische Ökonomie zum Erliegen zu bringen. Die Kommandohöhen der Wirtschaft, die chinesischen Monopole, Banken, das Finanzsystem sollen von der Wall Street und nicht von Beijing befehligt werden.

    Setzt US-Präsident Donald Trump außenpolitisch auf einen anderen Kurs als sein Amtsvorgänger Barack Obama?

    Nein, Trumps Politik wird genauso von den Leuten des sogenannten tiefen Staates betrieben, Vertretern der Geheimdienste NSA und CIA. In militärischen Fragen hält er sich an die alten Kalten Krieger, die einen militärischen Konflikt in der Ukraine heraufbeschwören wollen, der sich in Europa ausbreiten soll. Nicht zu vergessen, dass Trump die Europäer auffordert, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Militär auszugeben. Unter den geltenden EU-Verträgen bedeutet das, wenn Länder mehr Geld für Waffen ausgeben wollen, müssen sie bei Sozialprogrammen sparen. Das heißt also: Wenn Trump fordert, mehr Geld für Waffen auszugeben, fordert er gleichzeitig, Sozialleistungen zu kürzen. Das Resultat ist Austeritätspolitik. Dies ist ein Nebenprodukt des Imperialismus: Kürzungsprogramme werden in der Peripherie durchgesetzt, damit die Vermögen in den USA steigen.

  • 21.09.2021 14:08 Uhr

    Stärke durch Zusammenhalt

    Mesale Tolu berichtete in Frankfurt am Main über Haftzeit und setzt sich für nach wie vor eingesperrte Kollegen ein
    Gitta Düperthal
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    Mesale Tolu im Oktober vor einem Gerichtstermin in Istanbul

    »Die Einschränkung der Meinungsfreiheit bekämpft man am besten, indem man von ihr Gebrauch macht«, hatte Regula Venske, Präsidentin der deutschen Schriftstellervereinigung PEN, gesagt, um Mesale Tolu anzukündigen. Kämpferisch trat die 34jährige freie Journalistin und Übersetzerin vor etwa 680 Zuschauern im ausverkauften Saal der Soirée mit Amnesty International (AI) am Montag abend im Schauspiel Frankfurt am Main auf. Tolu war in der Türkei selbst unter Terroranklage gestellt worden, hatte dort bis Dezember 2017 acht Monate in Untersuchungshaft gesessen – zusammen mit ihrem heute dreijährigen Sohn. Weitere acht Monate war die in Ulm aufgewachsene Frau in der Türkei mit einer Ausreisesperre belegt worden.

    Anlässlich des 70. Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte erinnerte sie an die zahlreichen Aktivisten und Oppositionellen, die nach wie vor in der Türkei hinter Gittern sitzen. Am 10. Dezember 1948 um drei Uhr morgens hatte Eleanor Roosevelt als US-Vertreterin bei den Vereinten Nationen die UN-Charta nach nächtlichem Feinschliff verlesen. Mehr als 190 Staaten hatten sie zeitweise unterzeichnet.

    Mesale Tolu passte exakt zum Programm, das AI an diesem Abend mit ihrer Kampagne »Schreib für Freiheit« verband. Ähnlich wie bei der Aktion der Gewerkschaft Verdi unter dem Motto »Journalisten sind keine Verbrecher« ging es darum, politischen Gefangenen Solidaritätsschreiben zu schicken. Dazu forderte auch Tolu auf. Sie selbst habe Stärke entwickeln können, weil sie Postkarten von Frauen »aus der ganzen Welt« erhalten habe. Auch der Zusammenhalt mit aus ähnlichen Gründen eingesperrten Frauen sei hilfreich gewesen.

    Zwar habe das türkische Regime versucht, die Gefangenen von der Außenwelt so weit wie möglich abzuschirmen – in ihrem Fall sei dies aber nicht gelungen. »Ich habe Hoffnung, weil ich weiß, dass die Menschheit Kraft für den Widerstand gegen diese Diktatoren und Autokraten hat«, sagte Tolu. Es gelte, energisch gegen sie vorzugehen und die in Europa erstarkenden extremen Rechten wieder in ihre Ecken zu verbannen. »Wir müssen unsere Vielfalt gegen deren Einfalt verteidigen«, sagte Tolu. Obgleich ihr eigener Fall längst nicht abgeschlossen ist, zeigt sie sich optimistisch. Wie ihrem Ehemann Suat Corlu wird ihr die Mitgliedschaft in der MLKP (Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei) vorgeworfen. Die Türkei stuft letztere wie viele andere Organisationen als Terrororganisation ein. Das Gericht hat den Prozess gegen das Ehepaar auf den 10. Januar vertagt. »Wir dürfen nicht an der Vergangenheit haften bleiben«, antwortete Tolu auf die Frage von Venske, ob sie noch darunter leide, »als Frau, Journalistin und Mutter ihrer Rechte beraubt worden zu sein«.

    Sie wolle sich wieder frei fühlen, um für die Kolleginnen und Kollegen weiter zu kämpfen, die mit Freiheitsentzug drangsaliert werden. Sie dankte der Bundesregierung für deren Einsatz für ihre Freilassung, mahnte aber, zur »Politik für die Menschen« zurückzukehren, statt sich für Wirtschaft und Militär einzusetzen.

    PEN-Präsidentin Venske bezeichnete die Türkei als »weltweit größtes Gefängnis für Schriftsteller«. Über Mexiko hätten ihr kürzlich Oppositionelle berichtet, dass dort Autoren nicht ins Gefängnis kämen, sondern »gleich ins Grab«.

    Der AI-Generalsekretär in Deutschland, Markus N. Beeko, plädierte anlässlich des Jahrestages dafür, die UN-Menschenrechtscharta zu ergänzen, wenn die Gesellschaft sich durch Digitalisierung, künstliche Intelligenz oder die Klimakatastrophe verändere. Sonst passiere »das Machbare – nicht das Wünschbare«.

    Mesale Tolu spricht auch auf der XXIV. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz der jungen Welt am 12. Januar 2019 in Berlin.

  • 21.09.2021 14:08 Uhr

    Wie geht Klassenpolitik heute?

    Podium für die RLK steht fest
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    Noch arbeiten wir am Programm für die kommende Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz, die am 12. Januar 2019 im Mercure-Hotel MOA in Berlin-Moabit stattfinden wird. Gerade werden die Plakate und Flyer in den Druck gegeben – aber schon jetzt wurden 634 Einlassbänder bestellt! Das Interesse an unserer Konferenz ist also ungebrochen, und jedem sei nicht nur die Teilnahme, sondern auch die rechtzeitige Besorgung eines Einlassbandes (das die Eintrittskarte ersetzt) empfohlen!

    Ein besonderer Höhepunkt jeder Konferenz ist die Podiumsdiskussion, die ab 18 Uhr den Rede- und Kulturbeiträgen folgt. Sie steht im kommenden Jahr unter dem Thema »Dass sich die Wut in Widerstand verwandeln wird – Trotz alledem! 100 Jahre Novemberrevolution – Wie geht Klassenpolitik heute?« Frieden sofort und auf Dauer, das war die Forderung der Revolutionäre vor 100 Jahren im November 1918. Vielen von ihnen war klar, dass die Voraussetzung dafür der Bruch mit dem Kapitalismus und der Übergang zum Sozialismus waren. Wieviel Klarheit gibt es dazu heute in Bewegungen, Parteien und Gewerkschaften? Wie muss heute Klassenpolitik von unten aussehen? Wie wird aus Wut endlich Widerstand? Für diese Diskussion konnten wir Ulrich Maurer, ehemaliger Landesvorsitzender der SPD Baden-Württemberg und Mitbegründer der Partei Die Linke, Jan von Hagen, Gewerkschaftssekretär bei Verdi NRW, Lena Kreymann, SDAJ, und die Journalistin Nina Scholz, aktiv in Mieterkämpfen wie etwa dem Bündnis »Deutsche Wohnen & Co. enteignen«, gewinnen. Moderiert wird das Podium von Stefan Huth, Chefredakteur der Tageszeitung junge Welt. Diskutiert wird bis 20 Uhr – dann folgt traditionell das gemeinsame Singen der Internationale. Und zwar so kräftig und stark, wie das sonst nirgends mehr im deutschsprachigen Raum zu erleben ist!

    Verlag, Redaktion und Genossenschaft

  • 21.09.2021 14:08 Uhr

    Kraft schöpfen

    Warum die 24. Ausgabe der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz eine besondere ist
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    Besucherin der Konferenz im Januar 2018

    Dass die XXIV. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz, die am Sonnabend, 12. Januar 2019 in Berlin stattfindet, eine ganz besondere sein wird, steht seit langem fest. Nicht nur, weil der 100. Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ansteht – sondern auch, weil der Imperialismus mittlerweile wieder ungehemmt seine alles bestimmende Profitlogik ausleben kann. Vor hundert Jahren bildete sich die Sowjetunion heraus, schon alleine durch sie wurden die imperialistischen Klassenkräfte in ihren Wirkmöglichkeiten eingeschränkt. In den letzten 28 Jahren hat sich das Kräfteverhältnis allerdings so radikal verändert, dass der Imperialismus es sich immer mehr leistet, auf soziale und demokratische Zugeständnisse zu verzichten. Dafür werden rechte Kräfte in Stellung gebracht, die Klartext reden: »Ich bin für Folter, und das wissen Sie, und das Volk ist auch dafür! Mit Wahlen wirst du nichts ändern in Brasilien, du wirst nur etwas ändern, wenn Du einen Bürgerkrieg anzettelst. Der Bürgerkrieg wird vollenden, was die Militärdiktatur nicht geschafft hat. Mindestens 30.000 Leute müssen weg. Töten! Töten! Egal, wenn ein paar Unschuldige dabei sind«, meint der inzwischen als Präsident Brasiliens gewählte Jair Bolsonaro (ZDF-»Auslandsjournal« vom 24. Oktober 2018). Trotz alledem reden die meisten bürgerlichen Medien weiterhin davon, dass Brasilien »die viertgrößte Demokratie der Welt« sei.

    In solchen Zeiten ist ein Treffen konsequent linker Kräfte notwendig, um sich inhaltlich mit den Entwicklungen auseinanderzusetzen – aber auch, um Kraft zu schöpfen und praktisch zu erleben, dass es eine Linke in diesem Land weiterhin gibt. Friedrich Engels stellte schon vor über 150 Jahren fest, dass die bürgerliche Gesellschaft vor einem Dilemma stehe: entweder Übergang zum Sozialismus oder Rückfall in die Barbarei. Die kommende Konferenz will wie die vorherigen einen Beitrag dazu leisten, die Barbarei zu verhindern. Dazu haben wir spannende Gäste eingeladen: Der italienische Ökonom Vladimiro Giacché wird über die nächste Krise, der US-amerikanische Ökonom Michael Hudson über die nächsten imperialistischen Kriege und der Autor und Journalist Dietmar Dath über die nächste Revolution referieren (um nur einige zu nennen). Ein besonderer Höhepunkt wird in diesem Jahr der Beitrag aus Kuba sein: Wir erwarten im Rahmen einer Manifestation für das dann 60 Jahre revolutionäre Kuba auf der Konferenz hochrangige Gäste aus Politik und Kultur der roten Insel. An der Podiumsdiskussion »100 Jahre Novemberrevolution – wie geht Klassenpolitik heute?« werden sich Vertreter aus Kultur, sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, Kommunisten und der Partei Die Linke streiten. Beendet wird die Konferenz pünktlich um 20 Uhr mit dem gemeinsamen Singen der Internationalen. Für den folgenden Tag empfehlen wir die Teilnahme an der großen Liebknecht-Luxemburg-Demonstration zu den Gräbern der Revolutionäre.

    Damit Sie sich rechtzeitig um Fahrt und Unterbringung kümmern können, bieten wir den Leserinnen und Lesern der jungen Welt schon ab heute die RLK-Einlassbänder zum Kauf an (www.rosa-luxemburg-konferenz.de). Wir rechnen mit insgesamt 3.000 Teilnehmenden – an der Tageskasse wird es bestenfalls noch Restkarten geben, doch das kann nicht garantiert werden. Sichern Sie sich deshalb so schnell wie möglich Ihren Platz!

    Verlag, Redaktion, Genossenschaft junge Welt

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