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28.10.2022 19:30 Uhr

Weckruf für Linke

Starke Zeichen setzen gegen den Krieg: Die XXVIII. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz am 14. Januar klärt auf, klagt an – und greift ein
Von Stefan Huth
Nötiger denn je: Die Rosa-Luxemburg-Konferenz im Januar

Es ist ein Fanal: »Den dritten Weltkrieg stoppen – jetzt!« Alarmistisch und etwas zu schrill mag das Motto der XXVIII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK), die am 14. Januar erstmals nach zwei Jahren wieder als Präsenzveranstaltung in Berlin stattfinden wird, in manchen Ohren klingen. Indes: Es trägt der globalen politischen Lage zweifellos Rechnung, auch wenn deren tatsächliche Dramatik und Brisanz längst noch nicht allen bewusst ist. Es ist ein Weckruf.

In den internationalen Beziehungen vollzieht sich gegenwärtig ein fundamentaler Wandel von historischen Dimensionen, vertieft sich die Spaltung zwischen West und Ost, führt das hinter Washington versammelte NATO-Lager einen Verzweiflungskampf gegen seinen drohenden ökonomischen Abstieg und damit einhergehenden Verlust der globalen Hegemonie. Der Kriegspakt gruppiert seine Kräfte neu und um, rüstet sich für einen großen Angriff gegen Russland und den strategischen Hauptgegner, die Volksrepublik China. Die Gefahr eines Weltenbrands ist unter diesen Bedingungen, wo im kollektiven Westen selbst diplomatische Initiativen unter das Verdikt der Feindpropaganda fallen, sehr real. Es mehren sich kritische Stimmen, die in der gegenwärtigen Eskalation in Europa die »ukrainische Phase« eines drohenden dritten Weltkriegs sehen. Folgt man strategischen Überlegungen des Pentagon, wird er in der nächsten Stufe bald schon und mit ungeahnten Folgen auf Washingtons »systemischen Konkurrenten« China ausgeweitet.

In solch einer zugespitzten Situation machen sich bei Abwesenheit einer organisierenden Kraft unter Friedensfreundinnen und -freunden leicht Resignation, Ohnmacht und Verzweiflung breit. Doch bei aller scheinbaren Ausweglosigkeit: Die Lage gebietet es, gegenzuhalten und diese fatale Entwicklung zu stoppen. Das wird nur möglich sein, wenn eine breite gesellschaftliche Bewegung entsteht, die Protest und Widerstand offensiv auf die Straße trägt. Die RLK ist in diesem Sinne seit jeher eine Art Sammlungspunkt fortschrittlicher Kräfte. Und schon das Zusammenkommen in solidarischer Atmosphäre spendet Kraft, Mut und Zuversicht.

Wie ein roter Faden zieht sich der Kampf gegen Militarismus und Krieg durch alle bisherigen Rosa-Luxemburg-Konferenzen. Bereits auf der ersten RLK 1996 wurde der »Abschied der Linken vom Antimilitarismus« diskutiert. Rund drei Jahre vor dem Jugoslawien-Krieg bezog sich das auf geplante UN-Blauhelmeinsätze mit deutscher Beteiligung und die treibende Rolle der Grünen dabei. Das hatte, Jahre bevor sich die Partei zu einer Sammlungsbewegung transatlantischer Fanatiker gewandelt hat, empörte Reaktionen aus ihrer Führung provoziert. Heute ist die auf Regierungsbeteiligung um jeden Preis gebürstete Linkspartei ebenfalls im Begriff, auf NATO-Linie einzuschwenken und sich dem bürgerlichen Machtpol mit antirussischen Ausfällen oder der Forderung nach deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine anzubiedern. Auch über dieses Versagen wird auf der Konferenz im Januar zu reden und zu reflektieren sein – wie über die Frage, wer die Zeche für den kompromisslosen Kurs des Westens gegenüber Russland zu zahlen hat und wie die sozialen Zumutungen, die der Masse der Bevölkerung ins Haus stehen, abgewehrt werden können. Das soll Gegenstand der Podiumsdiskussion sein.

Höhepunkte versprechen die Beiträge zu werden, die wir aus Moskau und Beijing erwarten. Der Exdiplomat, sozialistische Politiker und Buchautor Nikolai Platoschkin wird über die Ursachen des Ukraine-Kriegs sprechen und darüber, welche innenpolitischen Debatten in der Russischen Föderation dazu geführt werden. Wen Tiejun, Ökonom an der renommierten Chinesischen Volksuniversität in Beijing, wird das Entwicklungsmodell der Volksrepublik vorstellen und der Frage nachgehen, weshalb es im Westen derart aggressive Reaktionen hervorruft. Weitere Vorträge befassen sich mit der NATO-Kriegspropaganda, den Folgen der westlichen Kriegspolitik für die in Unterentwicklung gehaltenen Länder der sogenannten dritten Welt sowie dem aus der westlichen Politik der Deglobalisierung (»Decoupling«) folgenden Zwang zum Krieg.

Das Jugendpodium der SDAJ wird 2023 in das Hauptprogramm integriert, geplant sind wie stets auch zahlreiche Kulturbeiträge. Veranstaltet wird die ganztägige Konferenz, zu der vor Ort rund 3.000 Gäste erwartet werden (und etliche Tausend weitere, die das Event am Bildschirm verfolgen) von junge Welt, unterstützt von zahlreichen Organisationen, Medien und Verbänden. Sie wie wir hoffen auf reges Interesse und darauf, dass von der Konferenz am 14. Januar ein in dieser Zeit so dringend nötiges starkes friedenspolitisches Signal ausgeht.

RLK 2023: Aus dem Programm

In bewährter Form wird das RLK-Programm in zwei großen Blöcken dargeboten: dem Vortragsteil mit sechs Beiträgen internationaler Referentinnen und Referenten sowie der Podiumsdiskussion, die sich am Abend ab 18.30 Uhr traditionell politischen Problemen und Aufgaben der Linken in der Bundesrepublik widmet. Neben Nikolai Platoschkin (Moskau) und Wen Tiejun (Beijing) sind Vorträge geplant, die sich mit der westlichen Kriegspolitik und ihren Folgen befassen. Die Historikerin und Buchautorin Anne Morelli untersucht am Beispiel der NATO-Kriegspropaganda einen wesentlichen Aspekt der geistigen Mobilmachung in westlichen Staaten. Aminata D. Traoré, Exministerin aus Mali, spricht über die Folgen von deren Kriegspolitik für arme Länder. Deglobalisierung und der Zwang zum Krieg sind Thema des in Kalifornien lehrenden Ökonomen Jack Rasmus. Sozialismus als konkrete Alternative zum niedergehenden Imperialismus soll am Beispiel Kubas dargestellt werden. Hierzu ist die Kinderärztin und Politikerin Aleida Guevara aus Havanna eingeladen.

Die Podiumsdiskussion steht unter dem Motto »Kämpfen in der Krise. Der Krieg und die soziale Frage«. Moderiert von jW-Chefredakteur Stefan Huth kommen in der Runde Christin Bernhold (Basisaktivistin aus Hamburg), die Linke-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen, Melina Deymann (Redakteurin der Wochenzeitung UZ) sowie eine Gewerkschaftsvertreterin zu Wort.

Die Lage der politischen Gefangenen wird wie in der Vergangenheit am Beispiel Mumia Abu-Jamals Thema sein. Der seit 1982 in den USA inhaftierte, jahrzehntelang von der Todesstrafe bedrohte afroamerikanische Bürgerrechtler und Journalist ist ständiger Gast der RLK und dort meist mit einem aufgezeichneten Redebeitrag vertreten. Zudem werden zahlreiche Kulturbeiträge geboten, darunter eine Ausstellung mit prämierten Bildern des jW-Fotowettbewerbs.(jW) Weitere Infos zur Konferenz: www. jungewelt.de/rlk

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