Kopf oben halten!
Von Arnold SchölzelErneut eine Rosa-Luxemburg-Konferenz nur als Stream im Internet, aber die spezifische Mischung bleibt: wissenschaftlich-politische Prosa – mal nüchtern, mal mitreißend – auf der einen Seite, auf der anderen künstlerische Berichte von Klassenkämpfen, von Widerstand, von Selbst- und Klassenbewusstsein, davon, wie man den Kopf in scheinbar überwältigenden Widrigkeiten oben behalten kann. Die Moderatoren des Tages, die Schauspielerin Esther Zimmering und der stellvertretende Verlagsleiter Sebastian Carlens, fügen beides zusammen: Da sind die Imperialismusanalysen von Dmitri Nowikow, dem stellvertretenden Vorsitzenden des ZK der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation, von Fiona Edwards, Aktivistin der Kampagne »No Cold War«, oder von der Soziologin Lucia Pradella aus London. Aus den USA bekräftigen Mumia Abu-Jamal und Mike Africa jr.: »Dieses System schreit nach Krieg.«
Wer den will, muss Kritiker unterdrücken: Das Bundesamt für Verfassungsschutz hält den jW-Leuten vor, marxistisch zu denken, das soll ein Gericht als verfassungsfeindlich fixieren. Eine Steigerung – eine Gesprächsrunde erinnert: Am 28. Januar vor 50 Jahren wurden in der BRD die Berufsverbote gegen Linke beschlossen und 1990 auf die DDR ausgedehnt.
Anderswo wird Unbotmäßigkeit bewaffnet niedergeschlagen. Juan Ramón Quintana aus Bolivien, Minister in den Regierungen von Evo Morales, erläutert, wie die USA in Lateinamerika regelmäßig den »Abbau von Bürgerrechten« betreiben. Vier Vertreter linker deutscher Jugendorganisationen diskutieren, was die neue Bundesregierung jungen Leuten zu bieten hat: außer Kriegskurs und Krisenverschleppung nichts.
Kein Krieg ohne Manipulation der öffentlichen Meinung. Rania Khalek, Journalistin in den USA und im Libanon, nennt es »Gleichschaltung der Medien«. Jeremy Corbyn, früherer Vorsitzender der britischen Labour-Party, verlangt: »Wir müssen in einer Welt des Friedens leben.« Und die müsse sozialistisch sein. Rosario del Pilar Pentón Díaz, Rektorin der Hochschule der Kommunistischen Partei Kubas (PCC), spricht über eine Gesellschaft, die nicht dem Profitprinzip folgt: erste Voraussetzung für Demokratie.
Dazu gab es Musik – von »Skazka« mit Balkanbeats morgens, den »Grenzgängern« mit ihren »Liedern der Commune« und der »Internationale« zum Abschluss –, gab es virtuell bildende Kunst der Gruppe »Tendenzen«, Rolf Beckers Erinnerung an die im vergangenen Jahr verstorbene große Künstlerin und Antifaschistin Esther Bejarano, ein Gespräch, das Susann Witt-Stahl, Chefredakteurin der M & R, mit dem serbischen Regisseur Srdan Golubovic über seinen Film »Otac – Vater« (seit 2. Dezember 2021 im Kino) führte, und Theater: Peter Wittig, Chef des SiDat!, stellt Szenen aus »Hoelz trifft Bischofferode« nach Volker Brauns »Die hellen Haufen« vor.
Der Linke-Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann sieht auf dem Abschlusspodium in der Friedensfrage die »Axt an die Grundwerte« seiner Partei gelegt. Das Thema, darf vorhergesagt werden, wird leider bleiben.
23.000 Zuschauer werden im Lauf des Tages in den deutschsprachigen Kanälen des Streams gezählt, einige zehntausend dürften über die englisch- und spanischsprachigen dazukommen.
Am 26. Januar erscheint die jW-Beilage mit Beiträgen zur Konferenz, Ende März die Broschüre mit deren Materialien.
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