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Aus: Ausgabe vom 28.12.2006, Seite 15 / Natur & Wissenschaft

Ohne Schmerzen

Eine einzige Genmutation kann einem Menschen jegliches Schmerzempfinden nehmen. Forscher von der britischen Universität Cambridge haben im Norden Pakistans sechs Menschen aus miteinander verwandten Familien untersucht, die wegen einer genetischen Veränderung niemals Schmerzen spüren. Aufmerksam wurden sie auf das Phänomen durch einen Jungen, der auf der Straße Fakir-Kunststücke aufführte: Er stach sich mit Messern in die Arme und lief über glühende Kohlen. Für ihn und seine Verwandten galt: »Keiner wußte, wie sich Schmerz anfühlt.« Alle sechs Pakistaner hatten Wunden auf Lippen und Zungen, weil sie sich regelmäßig aus Versehen selbst bissen. Zwei hatten ein Drittel ihrer Zungen eingebüßt. Am Rest ihrer Körper waren blaue Flecke und Schnitte keine Seltenheit, mehrere hatten schlecht verheilte Brüche. Andere Empfindungen wie Hitze oder Kälte spürten sie dagegen normal. Der Fakir-Junge nahm vier Jahre nach seiner Entdeckung durch die Forscher ein tragisches Ende: Er starb mit 14 Jahren an den Folgen eines Sprungs von einem Hausdach. Bei ihm wie bei seinen Verwandten hatten die Forscher zuvor eine Veränderung des Gens SCN9A entdeckt, das ein Protein namens »spannungsabhängiger Natrium-Kanal« verschlüsselt. Dieses Eiweiß wird normalerweise in schmerzempfindlichen Neuronen gefunden. Seine Mutation verhindert, daß die Kanäle arbeiten, denen eine zentrale Bedeutung der Signalübertragung zum Gehirn zukommt. Damit konnten Schmerzsignale das Gehirn nicht mehr erreichen.

(AFP/jW)

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