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Aus: Ausgabe vom 14.09.2022, Seite 11 / Feuilleton
Film

Aggression und Ironie

Der am 19. April 1926 in New York geborene Fotograf und Filmemacher William Klein ist am Sonnabend mit 96 Jahren in Paris verstorben, wie seine Familie mitteilte. William Klein hatte bis 1965 als Modefotograf für die Vogue gearbeitet. Später gab er zu Protokoll, von Mode weder Ahnung gehabt noch sich dafür besonders interessiert zu haben. Das Motiv für seine Arbeit: Gelderwerb. Während der 50er erschienen von ihm Fotobände über Straßenszenen in Rom, Tokio, Moskau und New York. Die Schlagworte für seinen Stil: Aggression und Ironie. Zum Spielfilm kam Klein 1960 als Set-Designer für Louis Malles »Zazie in der Metro«.

Sein erster eigener Spielfilm war »Wer sind Sie, Polly Magoo?« von 1966. In dem Film sagt ein Soziologe, 1966 sei die Mode plötzlich nicht mehr für eine Elite, sondern für Teenager gedacht. Patriotische Franzosen beschweren sich, während sie Kalbsknochen abnagen, über Popkultur – alles, von der Freiheitsstatue bis zur Freiheit, hätten sie den Amerikanern geschenkt und bekämen nichts als Barbarei dafür zurück. Mitte der 70er drehte Klein mit »Le Couple témoin« einen bizarren Spielfilm über ein Ehepaar, das von impertinenten Soziologen in einer abgeschlossenen Versuchskonsumwelt zum gültigen Modell manipuliert wird. Am bekanntesten ist Klein für seine Dokumentartrilogie über weltberühmte Afroamerikaner: »Eldridge Cleaver, Black Panther« (1970), »Muhammad Ali, the Greatest« (1964/74) und »The Little Richard Story« (1980).

Kleins letzter Film »Le Messie« (1999) illustriert dann Händels »Messias«. Die Gegenüberstellung der Weltverachtung des barocken Oratoriums mit einigen sehr bizarren Manifestationen von Religiösität in der mehr oder weniger obszönen Gegenwart schwankt zwischen Hohn, Empathie und Verzweiflung und ist vielleicht einer der besten Filme, die je über Religion gemacht wurden. (aha)

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