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Online Extra
21.11.2019, 19:19:33 / Ausland

Erstmals Polizist wegen Gewalt gegen »Gelbwesten« vor Gericht

Polizei schlägt zu, wird aber nicht belangt. Proteste der Gelbwe
Polizei schlägt zu, wird aber nicht belangt. Proteste der Gelbwesten am 1. Mai in Paris

Paris. Gut ein Jahr nach Beginn der »Gelbwesten«-Proteste in Frankreich muss sich erstmals ein Polizist wegen Gewaltanwendung verantworten. Dem 44jährigen wird vor einem Pariser Gericht vorgeworfen, bei der Kundgebung am 1. Mai einen Pflasterstein in Richtung der Demonstranten geworfen zu haben. Die Staatsanwaltschaft forderte drei Monate Haft auf Bewährung. Sie blieb damit deutlich unter der möglichen Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft erklärte, sie wolle »kein Exempel« an dem Polizisten statuieren.

Der angeklagte Polizist sagte aus, er habe den Stein »aus Angst« geworfen und nicht aus Wut auf die Demonstranten. Der Beamte gab an, er habe wenige Minuten zuvor gesehen, wie der Chef seiner Einheit durch einen Pflasterstein schwer im Gesicht verletzt worden sei, den ein Demonstrant geworfen habe. Er habe dann »aus einem Reflex heraus« den Stein zurückgeworfen, »um einen Sicherheitsabstand zu schaffen«. Er fügte hinzu: »Ich wollte niemanden verletzen.«

Der Bereitschaftspolizist ist nach Angaben der Anklage auf Videoaufnahmen zu erkennen, die tausendfach in den Onlinenetzwerken geteilt wurden. Darauf ist zu sehen, wie er in der Nähe des bekannten Pariser Krankenhauses Pitié-Salpêtrière den Stein wirft. Ob dabei Menschen verletzt werden, ist nicht zu erkennen. »Der 1. Mai war ein Tag extremer Gewalt«, sagte der Anwalt des Polizisten, Laurent Boguet. Die Sicherheitskräfte seien selbst Wurfgeschossen durch die Demonstranten ausgesetzt gewesen. Die Verteidigung verlangt deshalb einen Freispruch. Das Urteil wird am 19. Dezember erwartet.

Es ist die erste interne Untersuchung der Polizei zu den »Gelbwesten«-Protesten, die in einen Prozess mündet. Französischen Medien zufolge wurden dagegen bereits mehr als 3.000 »Gelbwesten« gerichtlich wegen Gewalt verurteilt. Die »Gelbwesten« werfen der Polizei seit Beginn der landesweiten Proteste am 17. November 2018 vor, ausgesprochen gewalttätig vorzugehen. Die Regierung hat den Sicherheitskräften den Einsatz von Gummimunition erlaubt, die in weiten Teilen der EU verboten ist. Nach unabhängigen Zählungen erlitten dadurch hunderte Menschen Kopfverletzungen, mehr als 20 verloren ein Auge. (AFP/jW)