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Aus: Ausgabe vom 07.04.2018, Seite 10 / Feuilleton
Isao Takahata tot

Um die Essenz

Der japanische Altmeister des Zeichentrickfilms, Isao Takahata, ist im Alter von 82 Jahren in Tokio s gestorben, wie das von ihm mitbegründete Studio Ghibli am Freitag mitteilte. Nach einem Studium der französischen Literatur lernte Takahata, der zeitlebens Gedichte aus dem Französischen ins Japanische übersetzte, bei der Zeichnergewerkschaft eines Trickfilmstudios Hayao Miyazaki kennen, mit dem er fortan regelmäßig zusammenarbeitete, u. a. bei der Zeichentrickserie »Heidi« (1974, nach dem Roman von Johanna Spyri), die auch in der BRD sehr populär wurde.

1984 verfilmte Miyazaki mit großem Erfolg seinen eigenen Manga »Nausicaä aus dem Tal der Winde«, Takahata war Produzent. Anschließend gründeten die beiden das Studio Ghibli, in dem erfolgreiche Miyazaki-Filme wie »Prinzessin Mononoke« (1997) oder »Chihiros Reise ins Zauberland« (2001) entstanden. Was Ghibli-Produktionen unverkennbar machte, war das Beibehalten »klassischer« Animationstechniken (Abfotografieren von Hand gezeichneter Folien etc.), als Trickfilme längst nahezu vollständig am Computer animiert wurden. Zur Orientierung dienten Takahata japanische Holzschnitte der Edo-Ära. »Es geht um die Essenz, die hinter einer Zeichnung steckt« sagte er zur Ästhetik des Studios. »Wir möchten der Realität Ausdruck verleihen, ohne uns notwendigerweise einer realistischen Darstellungsweise zu bedienen.«

Während die Filme Miyazakis mit rätselhaften Fabelwesen bevölkert sind, blieb Takahata in eigenen Werken eher dem Realismus verpflichtet. Als seine bekannteste Regiearbeit gilt der Film »Die letzten Glühwürmchen« (1988), für den er auch das Drehbuch schrieb. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs kämpfen darin zwei Kinder nach dem Tod der Mutter ums nackte Überleben. Der Vater ist an der Front. Sie irren hungrig umher, erleben Napalm-Angriffe. Der Stoff ist autobiografisch geprägt: Während des Weltkriegs hatte Takahata als Neunjähriger nur knapp einen Bombenangriff der US-Amerikaner überlebt. Bis zuletzt war er ein vehementer Kritiker der Remilitarisierungspolitik von Japans Premierminister Shinzo Abe. (jW)

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