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Aus: Ausgabe vom 16.06.2017, Seite 10 / Feuilleton

Autonome Praxis

Von Walter Hanser

Ein Rückblick auf die autonome Bewegung in Westberlin. Wir werden durch die Welt einer untergegangenen Bewegung geschickt und mit Bildern einer sagenumwobenen Halbstadt konfrontiert, die es nicht mehr gibt. Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben, so heißt es. Doch jene Bewegung, die im Schatten der besetzten Häuser in Westberlin entstand, hatte eh nie im Sinn, Geschichte zu schreiben, zumindest nicht so wie Wolfgang Kraushaar und Götz Aly. War sie sich ihres Unvermögens, an den bestehenden Verhältnissen etwas grundsätzliches zu ändern, genauso bewusst wie ihrer Vergänglichkeit? Suchte man noch nach dem Strand unter dem Pflaster? Wollte man abermals zeigen, dass Beton nicht brennt?

Angesiedelt im berühmten Milieu des subventionierten Westberlin, lieferten sich Langhaarige, Punks, Freaks und die türkischen Jugendlichen von nebenan ein ständiges Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei, die dabei meistens ganz schön alt aussah. Zwischendurch wurde mal der Ku’damm aufgesucht und Hunderte von Scheiben gingen zu Bruch. Staatsbesuche provozierten stundenlange Straßenschlachten mitten in der Innenstadt.

Mit der Maueröffnung eskalierten die gesellschaftlichen Zusammenstöße, militante Antifa war notwendig, um die Not zu wenden, Selbstschutz zu organisieren. Gerade ist beim Wiener Verlag Bahoe Books »Begrabt mein Herz am Heinrichplatz« von Sebastian Lotzer erschienen. Es ist – selbstverständlich – der Versuch einer Rekonstruktion autonomer Praxis. Vorstellung und Lesung morgen um 18 Uhr im Buchladen Müßiggang am Heinrichplatz in Berlin-Kreuzberg.

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