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Aus: Ausgabe vom 01.12.2016, Seite 10 / Feuilleton

Querpeaceler gesucht

Von Wiglaf Droste

Wie so viele NGOs beziehungsweise NOGOs geht auch Greenpeace in der Vorweihnachtszeit verstärkt potentielle Spender und Helfer an. Fair enough; warum sollte Greenpeace verwehrt sein, was beispielsweise Abtreibungsgegnern gestattet ist, die zum Beweise der Existenz des Satans süß-sauer eingelegte Embryonen in gewaltigen Einmachgläsern liturgisch herumschütteln?

Von den mir nicht gänzlich unsympathischen Greenpeace-Aktivisten könnte man allerdings etwas weniger Plumpes erwarten als eine »Querdenker-gesucht«-Kampagne; »Querdenker« ist eine Bezeichnung für Menschen, die daran gewöhnt sind, mit ihrem eigenen Kopf zu denken und nicht konformistisch mit den anderen Kindern herumzublöken, und die für diese Selbstverständlichkeit aber bitte nicht mit der Invektive Querdenker belegt werden wollen. Als ich einmal – gut gemeint selbstverständlich – als Querdenker angetitelt wurde, zitierte ich sofort meine alte Freundin Carola Rönneburg, die in solchen Fällen hanseatisch kühl zu sagen pflegt: »Nimm ihn quer, hast du mehr.«

Leider hat sich diese schöne, lässige Sentenz noch nicht bis zu Greenpeace durchgesprochen, und so werden in der »Querdenker-gesucht«-Ankoberei die Eigenschaften eines tipptoppen Greenpeacelers genauestens aufgelistet: »Beharrlich, genau, wissenschaftlich unerschrocken, glaubwürdig, attraktiv, kompromisslos, kreativ, durchsetzungsstark, pfiffig, engagiert, gewaltfrei, mutig, visionär, friedlich, unabhängig.« Man wäre von dieser Lektüre auf den Tod müde, stünden da nicht auch die beiden Rettungsringvokabeln »pfiffig« und »attraktiv«. »Pfiffig«, das klingt so 50er-Jahre-schmissig, nach Pfadfinder-Uniform, und »attraktiv« ist auch prima; wer sucht schon gezielt unattraktive Mitarbeiter?

Nachdem ich mir unerschrocken einen Löffel gewaltfrei geschleuderten Honig auf eine friedliche Stulle gestrichen und sie äußerst durchsetzungsstark verzehrt hatte, las ich das »Querdenker«-Schreiben noch einmal durch und legte es dann behutsam – dieses schöne Adjektiv hatten die Greenpeacekeeper vergessen –, aber durchaus mutig und kompromisslos ins Altpapier. Denn beim Abfall gilt: Der Mensch soll trennen, was er zuvor ungelenk zusammengefügt hat.

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