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Aus: Ausgabe vom 12.09.2014, Seite 3 / Schwerpunkt

Brutstätte der Oligarchie

Dnipropetrowsk liegt etwa 400 Kilometer südöstlich von Kiew an der Stelle, wo der Fluß Dnipro (Dnjepr) nach Süden abknickt. Die Stadt wurde 1783 nach der russischen Eroberung der nördlichen Schwarzmeerküste als Jekaterinoslaw gegründet und trägt ihren jetzigen Namen seit 1926. Mit etwa einer Million Einwohnern ist Dnipropetrowsk heute die drittgrößte Stadt der Ukraine und ein bedeutender Industriestandort. Zu sowjetischen Zeiten wurden hier viele Rüstungsbetriebe angesiedelt, darunter das »Konstruktionsbüro Süd«, das viele Interkontinentalraketen und Satelliten entwickelte, und der Raketenbauer »Juschmasch« (heute: Pivdenmasch), der diese Flugkörper baute. Bis 1992 war die Stadt, aus der auch der sowjetische Parteichef Leonid Breschnew kam, für Ausländer gesperrt.

Dnipropetrowsk wurde mit ihren umfangreichen industriellen Ressourcen nach der ukrainischen Unabhängigkeit Basis eines der mächtigsten politisch-industriellen Clans der entstehenden Oligarchenklasse. Der zweite Präsident des Landes, Leonid Kutschma (1994–2004), kam ebenso von hier wie der zeitweilige Ministerpräsident Pawlo Lasarenko (1996/97), der seit 2005 in Kalifornien wegen Wirtschaftsdelikten einsitzt, und dessen politische Ziehtochter Julia Timoschenko. Von ihr ist der Satz überliefert, jeder, der nur einen Tag im ukrainischen Geschäftsleben tätig gewesen sei, könne ins Gefängnis gesteckt werden. Auch Igor Kolomojskij, ebenfalls aus Dnipropetrowsk gebürtig und Absolvent der hiesigen Bergbauhochschule, genoß in der Phase der ursprünglichen Akkumulation des oligarchischen Kapitals die Protektion Lasarenkos, hielt sich aber zunächst aus der Politik fern und baute sein Unternehmensimperium, die »Priwat«-Gruppe, auf. Zu ihr gehören die gleichnamige Bank – die größte der Ukraine –, mehrere Raffinerien, metallverarbeitende und agroindustrielle Unternehmen, Fluglinien sowie der Fernsehsender »1+1«.


Wichtigster wirtschaftlicher und politischer Konkurrent des Dnipropetrowsker Clans ist der Clan von Donezk um Rinat Achmetow. Er war der wirtschaftliche Rückhalt von Expräsident Wiktor Janukowitsch und gilt heute als angeschlagen. (rl )

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