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Aus: Ausgabe vom 12.08.2014, Seite 3 / Schwerpunkt

Dokumentiert: Islamistischer Unterdrückungsstaat

Stellungnahme von Sevim Dagdelen, Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion Die Linke im Bundestag und Mitglied im Auswärtigen Ausschuß, zu den Präsidentschaftswahlen in der Türkei:





Die Wahl von Erdogan zum Präsidenten, der bereits eine »neue Ära« ankündigte und mit dieser eine Präsidialrepublik meint, läßt angesichts seiner bisherigen neoliberalen und repressiven Innenpolitik sowie aggressiven Außenpolitik nichts Gutes erwarten. Der Weg in einen islamistischen Unterdrückungsstaat ist vorgezeichnet. Sein Sieg ist nur auf den ersten Blick ein großer Wahlsieg. Mit unter 75 Prozent war es die historisch niedrigste Wahlbeteiligung bei landesweiten Wahlen seit 1977, und an absoluten Stimmen hat Erdogan keinen wesentlichen Zuwachs im Vergleich zu den Kommunalwahlen im März 2014 erreichen können.


Die Wahl von Recep Tayyip Erdogan zum Präsidenten verschlechtert die Perspektive für eine soziale, friedliche und säkulare Türkei. Erdogan wird die Islamisierung noch weiter vorantreiben und die Türkei als NATO-Partner noch stärker auf einen Kurs der Unterstützung von Islamisten in Syrien, im Irak oder in Nordafrika einschwören. Seine Wahl verdankt er auch der Tatsache, daß es keine glaubwürdige soziale Opposition gibt und die türkische Sozialdemokratie sich dafür entschieden hatte, einen gemeinsamen Kandidaten mit der faschistischen MHP aufzustellen.

Die große Koalition muß auch angesichts der zu erwartenden Eskalationspolitik durch Erdogan endlich ihre Kumpanei mit ihm beenden. Gerade die Unterstützung der ISIS, jetzt IS, durch die Türkei muß endlich Konsequenzen haben. Es ist Zeit, die militärische, polizeiliche und geheimdienstliche Zusammenarbeit zu beenden.

Die extrem niedrige Beteiligung von türkischen Wählerinnen und Wählern in Deutschland spricht dafür, daß Menschen, die seit Jahrzehnten ihren Lebensmittelpunkt hier haben, sich eben nicht in der türkischen Politik engagieren wollen. Die Bundesregierung muß endlich mit verstärkten Integrationsangeboten, einer erleichterten Einbürgerungspraxis und einem Wahlrecht auch für Nicht-EU-Bürger reagieren. (…)

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