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Aus: Ausgabe vom 20.02.2014, Seite 3 / Schwerpunkt

Ukraine: Chaos in der Provinz

Die gewaltsamen Auseinandersetzungen haben sich von Kiew auf Teile der ukrainischen Provinz ausgedehnt. In der westukrainischen Bezirksstadt Chmelnizki fielen am Mittwoch Schüsse. Nach Presseberichten hatten Demonstranten versucht, den örtlichen Sitz des Staatssicherheitsdienstes zu stürmen. Als sie Fenster einschlugen und sich anschickten, in das Gebäude einzudringen, sei aus dem Innern aus einer Maschinenpistole geschossen worden. Drei Personen wurden offenbar schwer verletzt, eine Frau starb später im Krankenhaus.

In den Protesthochburgen Lwiw, Ternopil und Iwano-Frankiwsk besetzten Regierungsgegner erneut die regionalen Verwaltungen, die sie erst am Wochenende geräumt hatten. Vor dem örtlichen Polizeipräsidium kam es offenbar zu Ausschreitungen, Autos wurden umgestürzt und angezündet. Demonstranten blockierten Polizei- und Armeekasernen und raubten aus einem Waffenlager hunderte Schußwaffen, Munition und Granaten. In Ternopil ging eine Polizeiwache in Flammen auf. In Lwiw erklärten die Besetzer anschließend die Unabhängigkeit der Region von der durch Präsident Wiktor Janukowitsch repräsentierten Regierung und beriefen einen »Volksrat« als neues Parlament. Im Bezirk Tscherniwzi im Südwesten trat der Gouverneur unter dem Druck von Demonstranten zurück. Diese hatten ihm im Gegenzug einen Verzicht auf Gewalt und Unruhen zugesichert und übernahmen anschließend die Verwaltungsgebäude. In der Gebietshauptstadt Riwne haben Demonstranten nach Angaben der Opposition die örtliche Polizei entwaffnet und sind mit den Waffen davongezogen.

Die Polizei errichtete unterdessen an allen Zufahrtsstraßen nach Kiew Straßensperren und kontrolliert die Reisenden. Damit soll offenbar der Zustrom weiterer Demonstranten in die Hauptstadt verhindert werden. Ukrainische Medien berichteten über angebliche Truppenbewegungen: So sei ein Fallschirmjägerbataillon aus Dnepropetrowsk in die Hauptstadt in Marsch gesetzt werden, ebenso Panzer aus mindestens zwei Garnisonen. Bestätigungen für diese Meldungen gab es zunächst nicht. Die Armeeführung hatte während der ganzen Krise ein Eingreifen der Streitkräfte abgelehnt. Die Zuverlässigkeit der Soldaten ist allerdings auch zweifelhaft: Im Unterschied zur Polizei und den Sondertruppen des Innenministeriums dienen in der Armee Wehrpflichtige, von denen nicht klar ist, ob sie gegen Landsleute vorgehen würden.

(rl)

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