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Aus: Ausgabe vom 28.08.2013, Seite 13 / Feuilleton

Schalldämpfer (36)

Von Wiglaf Droste
Auf der Suche nach Ralle und Jan wurde ich im Raucherkabuff fündig. Ich steckte den Kopf durch die Tür; die zwei dömkerten sich ordentlich ein und redeten sich die Qualmköpfe heiß. Hustend bat ich die Fluppenschachtelteufel zu mir und zog meine Rübe aus der sauerstofffreien Zone zurück.

»Ich würde mich ja zu euch setzen«, sagte ich entschuldigend, »aber meine Atemwege können die Luft da drin nicht mehr verarbeiten.« – »Ja, wir schwächeln alle ein bißchen«, gab Ralle großzügig zurück und winkte ab. »Was liegt denn an?«

»Heute Abend bin ich zur Männergruppe eingeteilt. Das Ganze ist eine Pflichtveranstaltung. 90 geschlagene Minuten, und geschlagen kannst du wörtlich nehmen!« Die Angst war nicht gespielt; hier sprach ein Mann mit Erfahrung. »Ich glaube, alleine stehe ich das nicht nochmal durch. Und da dachte ich...« Jan unterbrach mich. »Und da dachtest du, wir könnten mitgehen und Händchen halten?«

Ich gab meinem Gesicht den Ausdruck von Hoffnung und Dankbarkeit. »Genau! Zu dritt wird es vielleicht sogar lustig!«, feuerte ich nach. »Wir könnten denen zum Beispiel ein Männergruppenlied vorsingen. ‚Weinen, bis Blut kommt’. Und dann mal kucken, was passiert.«


»Was soll da schon passieren?« Ralle war noch nicht überzeugt. »Nur Männer und Monologe. Schauderhaft.« Es war nicht von der Hand zu weisen: Diese Aussicht hatte tatsächlich etwas höchst Bedrückendes, und genau deshalb bedurfte ich ja des freundschaftlichen Beistands.

Ein rettender Gedanke durchfuhr mich. Ich legte ein Gelübde ab. »Jungs, ich verspreche es euch hoch und heilig: Wenn ihr mich heute nicht hängen laßt und wir hier jemals wieder rauskommen, schenke ich jedem von euch eine Stange Peter-Hacks-Gedächtnis-Flüppchen!«

»Du schenkst uns was?« Jan stand auf der Leitung. »Peter-Hacks-Gedächtnis-Zigaretten!«, rief ich. »Richtige Kippen, mit echten Werten, nicht diesen Light-Gammel! Rauchen, um zu rauchen! Den Mund voll Tabak, der Geist scharf und rege!«

»Klingt prima«, sagte Jan, »aber wieso Peter Hacks?« – »Weil er ein großer deutscher Dichter ist und heute sein zehnter Todestag begangen wird. Und weil keiner so elegant rauchen konnte wie Peter Hacks! Rauchen und dichten war eins. Wenn es einen vollendeten Schutzheiligen für die Hohe Kunst des öffentlichen Ärgernisses gäbe, müßte es Hacks sein.«

Ich zitierte »Tagtraum« von Peter Hacks. »Ich möchte gern ein Holperstein / In einer Pflasterstraße sein. // Ich stell mir vor, ich läge dort / Jahrhunderte am selben Ort, / und einer von den Kunsteunuchen / Aus Medien und Kritik / Käm beispielsweise Hacks besuchen / Und bräch sich das Genick.«u wird fortgesetzt

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