Gegründet 1947 Freitag, 26. April 2024, Nr. 98
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 29.09.2011, Seite 3 / Schwerpunkt

Medienecho: Vor allem ignorieren

Am Dienstag beschäftigten sich ausländische Medien von Rußland bis Argentinien, von Neuseeland bis zur Schweiz in zum Teil groß aufgemachten Artikeln mit dem Fall Rauff. In den meisten Zeitungen der Bundesrepublik und wichtigen Nachrichtenportalen wurde nichts oder nur wenig berichtet. Ausnahmen bildeten die Frankfurter Allgemeine Zeitung sowie bild.de und sueddeutsche.de, die ausführliche Analysen veröffentlichten. Die Suche nach dem Stichwort Rauff auf einer der am meisten frequentierten deutschen Nachrichtenseiten im Internet, tagesschau.de, ergab dagegen am Mittwoch keinen Treffer. Zwei Blätter, die bei der Verfolgung von DDR-Geheimdienstlern stets besondere Aggressivität an den Tag legen, der Berliner Tagesspiegel und die Printausgabe der Süddeutschen Zeitung, verpackten die Information für ihre Leser am Mittwoch in Artikel über die Ankündigung des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom Vortag, nun auch von Historikern die eigene Geschichte untersuchen zu lassen. Eine Spitzenleistung beim Wegducken lieferte der Tagesspiegel ab, als er den Fall Rauff, die »Kooperation mit einem ehemaligen Vergasungsspezialisten der SS«, als »gruseliges Detail« der BND-Geschichte klassifizierte. Die bewußte, dokumentarisch ungezählte Male belegte Beschäftigung von Judenmördern und Kriegsverbrechern in BRD-Behörden, auch in leitenden Funktionen, geht wie eh und je seit 1949 über den Horizont einiger Repräsentanten des bundesdeutschen Mediengewerbes.

Der nun erteilte Prüfauftrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das jW als »extremistisch« einstuft, zur eigenen Nazivergangenheit gilt im übrigen höchst selektiv und nur bis 1975. Die Süddeutsche Zeitung garnierte ihren Bericht übrigens u. a. mit dem Satz: »In den sechziger Jahren gab es bereits Vorwürfe, auch der Verfassungsschutz sei von ehemaligen Nazis durchsetzt.« Präsident des Amtes war damals, worauf das Blatt selbst hinweist, Hubert Schrübbers, Staatsanwalt im besetzten Belgien und mitverantwortlich für Terrorurteile.


(asc)

Ähnliche:

  • Seit einem Vierteljahrhundert zum Sterben animiert –
F...
    08.02.2011

    Raddatz, ich und Die Zeit

    Er hat sein Tagebuch veröffentlicht aus jenen Jahren, in denen er beim deutschen Weltblatt Feuilleton-Chef war. Da hab’ ich auch mal angefangen. Und aufgehört. Jetzt kennen wir uns beide aus

Mehr aus: Schwerpunkt