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Aus: Ausgabe vom 24.01.2009, Seite 13 / Feuilleton

Motezumas Rechte

Wer als Herausgeber der Erstausgabe eines Werkes die Verwertungsrechte daran beansprucht, muß grundsätzlich beweisen, daß dieses Werk vorher »nicht erschienen« ist. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Er verwarf die Revision der Sing-Akademie zu Berlin, die vom Düsseldorfer Kulturfestival Altstadtherbst Schadenseratz verlangt hatte, weil dort 2005 die lange verschollene Vivaldi-Oper »Motezuma« ohne ihre Zustimmung aufgeführt worden war. Eine Klage hiergegen wurde sowohl vom Düsseldorfer Landesgericht als auch vom Oberlandesgericht abgewiesen. Der BGH bestätigte diese Urteile.

Im Handschriftenarchiv der Sing-Akademie war im Jahr 2002 die Komposition von Antonio Vivaldi (1678–1741) entdeckt worden. Die Oper war 1733 unter Leitung Vivaldis am Teatro S. Angelo in Venedig uraufgeführt worden. Während das Libretto der Oper bekannt blieb, galt die Komposition lange als verschollen. Die Akademie gab Faksimile-Kopien der Handschrift heraus und machte geltend, sie habe damit das ausschließliche Recht zur Verwertung dieser Komposition erworben. Bei der Musik zu »Motezuma« handele es sich – urheberrechtlich gesehen – um ein bislang »nicht erschienenes« Werk, das sie erstmals habe erscheinen lassen. Doch nach Auffassung des BGH konnte die Sing-Akademie nicht nachweisen, daß die Oper nicht schon einmal vor langer Zeit veröffentlicht worden war. Vielmehr sei davon auszugehen, daß die Komposition zu der Oper mit »hoher Wahrscheinlichkeit« bereits 1733 »erschienen« sei – mit der Übergabe des Notenmaterials an die Beteiligten der Uraufführung und der Hinterlegung eines Exemplars der Partitur bei dem damaligen Opernhaus.


(ddp/jW)

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