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Aus: krise, Beilage der jW vom 08.01.2011

Keine Atempause

Wer Geschichte machen will, muß die materiellen Grundlagen der Gesellschaft ändern. Wie aber kämpft man gegen den Kapitalismus?
Von Klaus Fischer
Die Deutsche Börse in Frankfurt am Main am letzten Handelstag de
Die Deutsche Börse in Frankfurt am Main am letzten Handelstag des Jahres 2010: Der DAX war am Morgen um 1,09 Punkte auf 6917,76 gefallen

Geschichte wird gemacht«, war einst ein geflügelter Spruch der Linken. Dahinter stand in Westeuropa das politische Selbstbewußtsein einer neuen Generation. Die wollte den »Muff von tausend Jahren« beseitigen, rebellierte gegen obrigkeitsstaatliche Strukturen und verabscheute Kriege, wie den der USA in Vietnam. Auch eine erstarkte Gewerkschaftsbewegung prägte jene Zeit, die aber vor allem durch die System­auseinandersetzung mit dem realen Sozialismus gekennzeichnet war. Der Kapitalismus war in Frage gestellt, und das ist er auch heute. Allerdings scheint es an Antworten zu mangeln. Mag sein, daß seinen Gegnern auch ein Teil Knowhow verlorengegangen ist, manche Rezepte gelten als veraltet, anderes muß neu entwickelt werden. Eines ist jedoch gewiß: Die Menschen sind dem Wüten der »Märkte« und der Macht ihrer politischen, juristischen und medialen Sympathisanten nicht zwangsläufig hilflos ausgesetzt.

Der Kapitalismus ist flexibel und mächtig, aber nicht unverwundbar. Seine vermeintlichen Stärken sind auch seine Schwächen. Dem Kapitalverhältnis liegt kein moralisches Konzept zugrunde. Profit zu generieren, bedingt weder Ethik noch Ästhetik. Der Sinn des Mehrwertes liegt in dessen Aneignung – womit es persönlich wird: Für die, die nehmen, und jenen, denen genommen wird.

Daraus folgt zwingend: Was Beschäftigte, Bildungshungrige, Unterdrückte und auch Erwerbslose wollen, müssen sie sich erkämpfen (Gewerkschaften aufgewacht!). Es liegt in der Dialektik gesellschaftlicher Widersprüche – wie dem zwischen Kapital und Arbeit –, daß ausgeklügelte Systeme zur »Umverteilung« nicht der Verwertungslogik entsprechen. Andererseits kann diese Logik nicht aufgehen, wenn es keine Regularien gibt. Das Kapital hat ein existentielles Interesse daran, daß eine Art Burgfrieden mit dem »Faktor Arbeit«, also den abhängig Beschäftigten, existiert.

In der materiellen Wirklichkeit ist der Grundwiderspruch des Kapitalismus, also der zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung, sehr wohl sichtbar. Geld gebiert keinen Wohlstand. Aktienoptionen bauen keine Häuser. Hedgefonds buddeln nicht das Eisenerz aus. Reale Werte schafft ausschließlich der Mensch mit zielgerichtetem Handeln, mit seiner Arbeitskraft. Sie ist und bleibt entscheidende Quelle allen gesellschaftlichen Reichtums. Es ist keineswegs so, daß das »Kapital« die »Arbeit« in babylonischer Gefangenschaft hält. Es tut nur so, angefangen von den Fakten, bis zu der Begrifflichkeit »Arbeitgeber«. Wenn man so will, liegt hier die Sollbruchstelle des Systems.

Um da den Hebel erfolgreich ansetzen zu könne, braucht es vor allem kollektiven Willen. Es bedarf der Zuversicht, die nur aus Wissen und Erfahrung erwachsen kann. Kräftige Lohnerhöhungen könnten ein solcher Hebel sein. Der zerstört den Kapitalismus nicht, kann ihn aber zähmen. Der Preis der Ware Arbeitskraft wird nicht vom Staat, nicht vom Unternehmer festgesetzt. Er ist Resultat eines permanenten Klassenkampfes. Den Kapitalismus »verbessern« heißt, ihn schwächen. Und es gibt keinerlei materiellen oder moralischen Grund, den Profiteuren des Systems jene global-volkswirtschaftlichen Kosten verstärkt in Rechnung zu stellen, die aus einer extrem gesteigerten Produktivität resultieren, die die internationale Arbeitsteilung gravierend verändert hat. Ressourcenverbrauch, Bildung und Ausbildung gehören ebenso dazu wie die Wiedereingliederung der »relativen Überbevölkerung« als aktiven Part des Reproduktionskreislaufs.

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