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Aus: Ausgabe vom 13.06.2013, Seite 3 / Schwerpunkt

Betriebsunfall

Kungeln auf du und du
Die Massenmedien haben ein Herz für Gustl Mollath. Der Tenor geht so: Da wird ein Mann als »Verrückter« weggesperrt, der nur die Wahrheit ans Licht bringen wollte. Die allgemeine Parteinahme für den 56jährigen in Presse, Funk und Fernsehen ist schön und gut, weil sie ihm die Publicity bringt, die es braucht, damit er eines Tages wieder in Freiheit leben kann. Es geht bei seinem Fall aber um mehr als ein persönliches Schicksal, an dem sich jetzt die veröffentlichte Meinung abarbeitet.

Die Causa Mollath öffnet die Tür zu einer Welt, in der Steuerbetrug Normalität ist und Steuerbetrüger die Art von Protektion genießen, ohne die ihre krummen Geschäfte nicht laufen könnten. Es ist ein Geben und Nehmen, in der eine Hand die andere wäscht und am Ende für alle Beteiligten etwas abfällt. Die Banken reißen sich um betuchte Kunden und zeigen sich diesen damit wohlgefällig, ihr Geld am Fiskus vorbei ins Ausland zu verfrachten. Es geht dabei nicht um Einzelfälle, es geht um ein global und national florierendes Geschäftsmodell, bei dem sich Banken und Vermögensberater im großen Stil als Geldwäscher und -vermehrer betätigen.

Die Offshore-Leak-Affäre, die aufgetauchten Steuerbetrüger-CDs und nicht zuletzt der Fall Uli Hoeneß zeigen, welche Ausmaße diese Machenschaften inzwischen angenommen haben und wie gewissenlos sich alle Mitwirkenden und Mitverdiener am Gemeinwesen versündigen. Aus dem Gebaren schreit neben Gier und Egoismus eine tiefe Staatsverachtung, für die jede Form von Umverteilung Teufelszeug ist. Der EU sollen Jahr für Jahr per Steuerhinterziehung und Steuerumgehung eine Billion Euro durch die Lappen gehen. Mit dem Geld gäbe es keine europäische Schuldenkrise und in Deutschland keine »leeren Kassen«.


Wo Banker mit Richtern kungeln, die mit Regierenden auf du und du sind, die sich wiederum nur in der High-Society wirklich heimisch fühlen, sind Fälle wie der von Gustl Ferdinand Mollath, bei dem die Netzwerkerei der Reichen und Mächtigen ans Licht kommt, ein lästiger Betriebsunfall. Aber auch solche Skandale erledigen sich irgendwann, zumal dann, wenn die Medien die tieferen Ursachen und Mechanismen nicht hinterfragen.

(rwu)

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