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Aus: Ausgabe vom 30.07.2010, Seite 3 / Schwerpunkt

Repressionen: Es geht dich an

Der Publizist Gideon Levy veröffentlichte am 18. Juli in der israelischen Tageszeitung Haaretz einen Artikel, in dem es heißt:

(…) Dieser Artikel ist nicht für falsche Patrioten gedacht, die Brutalen und die Gehirngewaschenen, für jene, die eine jüdische, araberfreie Knesset wünschen; eine jüdische, ausländerfreie Gesellschaft, und einen Staat ohne B’tselem oder den Obersten Gerichtshof.

Aber sie sind nicht die einzigen Komponenten in der israelischen Gesellschaft. Da bleiben noch immer bedeutsame Komponenten. Die Legionen, die gegen das Massaker von Sabra und Shatila 1982 demonstrierten, sind noch immer unter uns. Es gibt viele Leute, die die Geschichte kennen, die wissen, was Demokratie ist, die entsetzt sein sollten über das, was jetzt vor sich geht.

Entsetzt? Das ist genau der Punkt. Sie sind es nämlich nicht. Sie hören, was mit Hanin Soabi geschah – und sind still. Sie hören Knessetmitglieder vom Zentrum und von der Linken, wie sie verbal ihre arabischen Kollegen angreifen – und hören nichts. Sie erfahren von den gefährlichen Gesetzentwürfen und verzeihen diese. Sie werden Zeugen von McCarthyscher Hexenjagd gegen Nichtregierungsorganisationen, Knessetmitglieder und Professoren und bleiben selbstzufrieden ruhig. (...)


Soabi wird gehetzt, MK Tibi wird bedroht – na und? Sie sind Araber. (…) Sie hören von Rabbinern, die gegen das Vermieten von Wohnungen an Gastarbeiter schimpfen, sie hören von der Hexenjagd gegen Ausländer, die auf der Suche nach Arbeit illegal über die Grenze kommen, über die Deportation der Kinder von Flüchtlingen und über die zunehmende Gewalt der Polizei. Sie denken, das ist nicht nett – aber es wird sie nicht treffen. Sie sehen, wie die Vertreter von Kadima, ihrer Partei der Hoffnung, sich dieser Kampagne der Hetze anschließen. Sie sehen die Vertreter dieser falschen »Zentrum«-Partei

(…) Warum? Weil sie davon überzeugt sind, daß sie selbst nicht in Gefahr sind. Es wird Zeit, ihnen, die sich zurückgezogen haben und die sich nur um ihr eigenes Leben kümmern, zu sagen, daß dies kommen wird. (…) Polizeiliche Gewalt? Sie wird auch eure Kinder berühren. Sie wird auch euch erreichen. Eure Zeitung und euer Fernsehen wird anders aussehen; die Knesset, euer Gericht und eure Schulen werden nicht mehr wiederzuerkennen sein. Es ist schon mehr als einmal passiert, und es wird auch hier geschehen. Wenn nicht heute, dann morgen. Das Monster hat seinen häßlichen Kopf gehoben, es nähert sich uns. Es bleibt keiner, der es stoppen könnte, und wenn es hierher kommt, wird es zu spät sein, viel zu spät.

www.haaretz.com/print.edition/opinion/it-s-coming-to-you-1.302539

Übersetzung: Ellen Rohlfs

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