Leserbrief zum Artikel Nach Thüringer Wahldebakel: Hauptsache gegen links
vom 08.02.2020:
Was für Zeiten
O Tempora, o mores – was für Zeiten, was für Sitten in Thüringen. Die Thüringer CDU verliert die Akzeptanz nicht wegen Mike Mohring, sondern deswegen, weil sie nicht durchgesetzt hat, was der »Einheitskanzler« Helmut Kohl versprochen hat, nämlich »blühende Landschaften« im Osten! Deshalb fühlen sich viele Thüringer als Deutsche zweiter Klasse. Die CDU hätte gemeinsam mit der »rot-rot-grünen« Regierung Anstrengungen unternehmen müssen, um die Thüringer von dieser Demütigung zu befreien. Lieber kooperiert sie aber mit der AfD, um eine »rot-rot-grüne« Regierung zu verhindern. Die CDU hat dabei nicht gestört, dass die AfD mit »Merkel muss weg!«, »Islamisierung? Nein danke!« die zweitstärkste Kraft in Thüringen geworden ist! Oder ist die AfD nur ein Steigbügelhalter, um die mit der jetzigen Politik unzufriedenen Bürger an die AfD zu binden und dann als bürgerliche Einheitsfront eine »rot-rot-grüne« Regierung zu verhindern? Es gibt berechtigte Befürchtungen, dass sich die Geschichte wiederholt. Prof. Volkhard Knigge schrieb von längerer Zeit, dass die rechtskonservative Elite der Weimarer Republik dachte, man könnte diesen »Hitler« zum Aufräumen benutzen gegen die Gewerkschaften und die Arbeiterbewegung (was ja schiefging), und seine Schlussfolgerung: »Und mich erinnert vieles von dem, was derzeit in der AfD passiert, stark an diese Geschichte.« Kluge Leute sagen, die Geschichte wiederholt sich nicht. Wohl aber wiederholen sich menschliche Verhaltensweisen – im Guten wie im Bösen. Bürger, die die Demokratie wertschätzen, müssen diese verteidigen, für sich, für die eigenen Kinder und für die nachfolgenden Generationen! Anders gesagt, wer kämpft, kann verlieren, aber wer nicht kämpft, hat schon verloren!
Veröffentlicht in der jungen Welt am 11.02.2020.