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Aus: Ausgabe vom 28.04.2007, Seite 12 / Feuilleton

Lichtgestalt

Im Roten Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin-Mitte, wird am Samstag aus einer unveröffentlichten Schernikau-Biographie von Matthias Frings gelesen. Ronald M. Schernikau hätte vom Titel der Veranstaltung wenig gehalten: »Der letzte Kommunist«. Beginn ist 21 Uhr. Tickets kosten fünf Euro.

Schernikau wurde 1960 in Magdeburg geboren, wuchs ab 1966 in Lehrte bei Hannover auf, trat mit 16 Jahren der DKP bei. 1980 zog er nach Westberlin, schrieb u. a. Beiträge für Bücher über (Homo-)Sexualität und AIDS, die Matthias Frings herausgab. Bis hier nichts sehr Besonderes. Aber Schernikau fuhr auf die DDR ab, in der »die besseren Bücher« geschrieben wurden. Und das hat ihn zum Klassiker werden lassen. Ab 1986 studierte er am Leipziger Literaturinstitut »Johannes R. Becher«. Seine Abschlußarbeit erschien 1989 im Hamburger Konkret-Verlag unter dem Titel »Die Tage in L.«. Schernikau hatte seinen Titel nicht durchsetzen können: »Die Schönheit von Uwe, die Losung 43 und der Spaß der Imperialisten«. »uwe ist breit, struwwelig, proletarisch und schön«, heißt es am Ende des Buches über einen technischen Studenten, der mit Schernikau sicher besseren Sex hatte als heute überhaupt noch irgendwer. »was an uwe interessiert? daß man ihn lieben muß, daß er geliebt werden will, daß er einem sagt, er wolle niemals lieben, daß er es dennoch tut. (...) uwe hat keine ahnung, daß er schön ist. das mindert seine schönheit nur um ein weniges. uwe ist die ddr.« Auf den letzten Drücker wurde Schernikau 1989 DDR-Bürger. 1991 starb er an den Folgen einer AIDS-Erkrankung. Weiteres auf der Website schernikau.net und bei der Lesung an der Volksbühne. Mit etwas Glück kann das ein Abend vom Typ Schernikau werden: verboten schön, beeindruckend klug, beängstigend konsequent und voll ansteckender Fröhlichkeit. (jW)

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