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Aus: Ausgabe vom 10.10.2006, Seite 12 / Feuilleton

Moskau schwieg

Der Politikstil Wladimir Putins erklärt sich nach Ansicht des Publizisten Boris Reitschuster wesentlich damit, daß Putin von 1985 bis 1990 für den KGB als Agent in der DDR tätig war. Putin habe im Herbst 1989 während der versuchten Erstürmung der KGB-Residenz in Dresden-Löschwitz durch eine wütende Menschenmenge einen Moment tiefer Hilflosigkeit erlebt, weil er aus Moskau um Hilfe durch die Streitkräfte gebeten, aber keine Antwort erhalten habe. »Er konnte die Geheimunterlagen herausrücken und vor ein Kriegsgericht kommen, oder die Stellung halten und ein Blutbad anrichten«, erklärte Reitschuster im Vorfeld des heutigen Putin-Besuchs unter Berufung auf russische Quellen. »Man sagte ihm, Moskau schweigt, und ohne Anweisung aus Moskau könne man nichts machen.« Dieses Erlebnis habe den Kreml-Chef entscheidend geprägt. Mehr als ein Jahrzehnt später habe er erklärt, die Worte »Moskau schweigt« klängen bei ihm noch nach: »Mir wurde klar, daß die Sowjetunion erkrankt ist. An einer tödlichen, unheilbaren Krankheit, der Lähmung der Macht.« Reitschuster hat auch diese Äußerung bei Recherchen für sein neues Buch »Putins Demokratur« zusammengetragen.

(ddp/jW)

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