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Aus: Ausgabe vom 07.02.2014, Seite 3 / Schwerpunkt

Der Antiagitator: Professor Digel packt aus

Ein bundesdeutscher Sportwissenschaftler scherte aus der Schar der Anti-Sotschi-Schreihälse aus: Professor emeritus Helmut Digel. Dem langjährigen Präsidenten des bundesdeutschen Leichtathletikverbandes schien der Kragen geplatzt zu sein, als er auf der Internetseite des Deutschen Olympischen Komitees und Sportbunds (DOSB) am 22. Januar seine Meinung zu Sotschi äußerte:

»Sexuelle Handlungen zwischen Personen mit demselben menschlichen Geschlecht standen bis 1994 in Deutschland unter Strafe, allein in der Zeit von 1950 bis 1969 wurden hierzulande etwa 50000 Schwule verurteilt, weil Sex unter Männern verboten war. Paragraph 175 des Deutschen Strafgesetzbuches existierte bis zum 11. Juni 1994. In der DDR wurde der entsprechende Paragraph 1988 aufgehoben. (…) Betrachtet man diese historischen Fakten, so könnte aus heutiger Perspektive die Frage gestellt werden, ob 1972 die Olympischen Spiele in einem Land stattgefunden haben, in dem Menschenrechte mit Füßen getreten wurden. Vorausgesetzt, man sieht das Recht auf Homosexualität als Menschenrecht an. (…)

Von der ›Festung Sotschi‹ ist die Rede, wenn von den Sicherheitsvorkehrungen zu berichten ist. (…) Daß in London im Jahr 2012 Kosten in Millionenhöhe zur Gewährung der Sicherheit entstanden sind, daß bei allen Spielen zuvor vergleichbare Sicherheitsvorkehrungen notwendig gewesen sind, seit in München 1972 islamische Terroristen jüdische Athleten und Trainer ermordet hatten, wird dabei allenfalls am Rande erwähnt. Gebetsmühlenhaft wird auch das Problem der Umweltzerstörung durch Olympiabauten diskutiert. (…)


Die Berichterstattung, insbesondere die Sportberichterstattung, wiederum wird von einem normativen Phänomen geprägt, das schon seit längerer Zeit zu beobachten ist. Die Leitmedien der deutschen Berichterstattung (dpa, FAZ, SZ etc.) geben die Themen und die Richtung der Berichterstattung vor, und alle übrigen Medien folgen dann dem Leithammel, so daß man von einer ungewollten Gleichschaltung der Massenmedien zu sprechen hat.«

Im Internet: kurzlink.de/sotschi-heuchelei


Unmittelbar nach Schluß der Spiele erscheint eine Broschüre (»Sotschi-Tagebücher«) vom ehemaligen Eishockey-Nationaltorwart Klaus Hirche, von Klaus Ullrich Huhn und einer Eishockeynationalspielerin. Preis 3,50 Euro plus 1,50 Euro Versandkosten. Bestellungen: Verein Sport und Gesellschaft, Triftstr. 34, 15370 Petershagen; Tel.: 033439/7473

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