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22.04.2021, 19:24:11 / Ausland

Tschechien und Slowakei weisen russische Diplomaten aus

Tschechiens Premier Andrej Babis (l.) und der neue Außenminister
Tschechiens Premier Andrej Babis (l.) und der neue Außenminister Jakub Kulhanek wollen es wissen (Prag, 21.4.2021)

Prag. Tschechien heizt die diplomatische Krise in den Beziehungen zu Russland weiter an. Nach dem Verstreichen eines Ultimatums an Moskau kündigte das Außenministerium in Prag am Donnerstag die Ausweisung dutzender russischer Diplomaten an. Russland hat demnach bis Ende Mai Zeit, die Belegschaft seiner Botschaft auf den Stand der tschechischen Vertretung in Moskau zu reduzieren. Als »Zeichen der Solidarität« mit Tschechien kündigte auch die Slowakei die Ausweisung dreier russischer Botschaftsmitarbeiter an.

»Im Einklang mit Artikel elf« des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen habe Tschechien entschieden, »die Zahl der Mitarbeiter der russischen Botschaft in Prag auf die tatsächliche Zahl (der Mitarbeiter) in unserer Botschaft in Moskau zu reduzieren«, sagte Tschechiens neuer Außenminister Jakub Kulhanek vor Journalisten. Die tschechische Vertretung in Russland verfügt über 24 Mitarbeiter, die russische Vertretung in Prag hat 94 Mitarbeiter.

Prag wirft dem russischen Geheimdienst eine Verwicklung in die Explosion eines tschechischen Munitionslagers nahe dem Dorf Vrbetice im Jahr 2014 vor. Tschechien hatte deshalb bereits am Sonnabend 18 russische Diplomaten ausgewiesen, die laut der Regierung in Prag als russische Geheimagenten enttarnt wurden. Russland reagierte mit der Ausweisung von 20 tschechischen Diplomaten und bezeichnete die Vorwürfe als »Karikatur« und das tschechische Vorgehen als »Provokation und unfreundlichen Akt«.

Außenminister Kulhanek hatte die Maßnahme Moskaus am Mittwoch als völlig »unverhältnismäßig« bezeichnet. Die Ausweisung von 20 Diplomaten lege die Arbeit der tschechischen Botschaft völlig lahm, während die Ausweisung von 18 russischen Diplomaten die Arbeit der russischen Botschaft nicht gefährde. Kulhanek stellte Russland ein Ultimatum bis Donnerstag mittag, um eine Rückkehr der 20 tschechischen Diplomaten an ihre Arbeit zu ermöglichen. Russland wies das Ultimatum umgehend zurück.

Das russische Außenministerium bestellte am Donnerstag nach Kulhaneks Ankündigung den tschechischen Botschafter ein. Prag habe sich für den Weg der Zerstörung der Beziehungen entschieden, sagte Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa. Es werde »nicht lange auf unsere Antwort warten müssen«.

Ihre »Solidarität« mit Prag betonte am Donnerstag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Telefonat mit Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis. Babis habe Merkel über die angespannten Beziehungen mit Russland nach den tschechischen Erkenntnissen über die russische Verstrickung in die Explosion in dem Munitionslager informiert, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit.

Zuvor hatte die Regierung in Prag bereits Rückendeckung der NATO-Partner erhalten. Das Kriegsbündnis erklärte am Donnerstag seine »volle Solidarität« mit Tschechien und zeigten sich dabei »zutiefst besorgt über die destabilisierenden Handlungen Russlands« auch in anderen Ländern des Bündnisses. Konkrete Schritte gegen Moskau kündigte die Militärallianz aber nicht an.

Der slowakische Ministerpräsident Eduard Heger teilte mit, die dort ebenfalls von einem Ausweisungsbeschluss betroffenen drei russischen Diplomaten müssten das Land binnen sieben Tagen verlassen. Verteidigungsminister Jaroslav Nad erklärte, die Entscheidung basiere auf Erkenntnissen des slowakischen Geheimdiensten sowie der Geheimdienste verbündeter Länder. (AFP/jW)

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