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Aus: Ausgabe vom 05.02.2008, Seite 13 / Feuilleton

Gewalt (2)

Sie selbst nennt sich »eine medizinische Katastrophe«. Nun erwartet die 48jährige Christiane V. Gerechtigkeit. Am Mittwoch will das Kölner Landgericht eine Entscheidung über die Schadensersatzklage der intersexuellen Frau gegen einen Kölner Chirurgen verkünden. Die Frau fordert 100000 Euro Schadensersatz von dem Mediziner, weil er ihr vor über 30 Jahren die inneren weiblichen Geschlechtsorgane entfernt hatte. Dabei soll er seine Patientin nicht ausreichend über die Folgen des Eingriffs informiert haben. Die Klägerin war als Junge erzogen worden, weil die Hebamme ihr äußeres Genital für einen ungewöhnlich klein entwickelten Penis hielt. Tatsächlich leidet sie jedoch an einer Stoffwechselerkrankung, die bereits im Mutterleib einsetzt. Unter anderem entwickelt sich dabei bei Mädchen die Klitoris zu nahezu penisähnlicher Größe. Diese Krankheit war bei Christiane V. nicht erkannt worden. Sie wuchs als Junge auf, depressiv und selbstmordgefährdet. Erst als sie sich mit 17 Jahren einer Blinddarmoperation unterziehen mußte, entdeckten Ärzte in ihrem Bauch eine voll entwickelte Gebärmutter. 1977 ließ sich die Frau in einer Kölner Klinik den Uterus und die Eierstöcke entfernen, es folgten weitere Eingriffe zum Aufbau eines männlichen Geschlechtsorgans.

Am ersten Tag der Hauptverhandlung vor dem Kölner Landgericht zweifelten die Richter im Dezember daran, daß dem Chirurgen ein Behandlungsfehler nachzuweisen sei. Er habe lediglich die Diagnosen und Therapieansätze anderer Ärzte umgesetzt. Nach eigenen Angaben wollte er seinen Patienten, der damals als junger Mann gelebt hat, nicht mit der Erkenntnis belasten wollen, daß er von den Chromosomen her eigentlich eine Frau ist.


(ddp/jW)

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