Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
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Anschlag auf die Pressefreiheit

Trotz Niederlage vor dem Verwaltungsgericht: junge Welt wehrt sich weiter gegen die geheimdienstliche Bekämpfung der Zeitung
Von Nick Brauns
Der Plenarsaal des Verwaltungsgerichts Berlin kurz vor Verhandlungsbeginn

Es ist eine Niederlage für die junge Welt, aber auch für die Pressefreiheit im Lande: Das Verwaltungsgericht Berlin hat am Donnerstag in der mündlichen Verhandlung die Klage der Verlag 8. Mai GmbH gegen die Nennung der Tageszeitung in den Berichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz abgewiesen.

Die junge Welt sei eine marxistisch-kommunistische Tageszeitung und strebe eine sozialistisch-kommunistische Gesellschaft mit Einparteiendiktatur an, unterstellt der Verfassungsschutz der Zeitung. Dies sei »richtig wiedergegeben und eingeordnet«, meinte der Vorsitzende Richter Wilfried Peters. Das Niveau der Beweisfindung hatte sich bereits während der Verhandlung gezeigt, als dieser Richter auf eine Bildmontage auf der jW-Leserbriefseite mit Lenin an seinem Schreibtisch verwies. Die Zeitung sei also nicht nur marxistisch – diese Blattlinie zur Analyse weltweiter Vorgänge hatte Verlagsgeschäftsführer Dietmar Koschmieder offen angeführt –, sondern marxistisch-leninistisch. Und der Marxismus-Leninismus sei nun mal verfassungswidrig, wie im KPD-Verbotsurteil festgeschrieben, argumentierten die Anwälte des Verfassungsschutzes mit diesem Damoklesschwert gegen linke Bestrebungen von 1956. Zwar verwies Verlags-Rechtsanwältin Anja Heinrich darauf, dass laut dem KPD-Verbotsurteil von 1956 Marxismus-Leninismus nur in der von Stalin geprägten Deutung verfassungswidrig sei. Doch der Richter konterte, das Gericht begebe sich nicht in die Binnenlogik des Marxismus, sondern schaue sich nach »bürgerlicher, historischer Logik« die Figur von Lenin an. »Und Lenin ist jemand, der die FDGO in energischster Weise bekämpft, indem er eine Einparteiendiktatur in Russland errichtet hat«, verstieg er sich in absurder Unlogik, schließlich wurde das Konstrukt einer Freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) fast drei Jahrzehnte nach dem Tod des sowjetischen Revolutionsführers vom Bundesverfassungsgericht geprägt. »Wer Lenin sympathisch findet, übernimmt seine Sichtweise«, so die Schlussfolgerung des Gerichts.

Die jW distanziere sich nicht von Gewalt, sondern biete vielmehr Akteuren, die politische Straftaten rechtfertigten, eine Plattform, wurde unter Verweis auf einen – im übrigen selbstkritischen – Beitrag eines ehemaligen RAF-Mitgliedes angeführt. Schließlich sieht auch das Gericht eine personelle Verflechtung von einzelnen Redakteuren und Autoren mit dem »linksextremistischen Spektrum«, insbesondere der DKP. Richtig sei zudem die Einschätzung, die jW sei mehr als ein Informationsmedium, Richter Peters verweist dabei auf die Rosa-Luxemburg-Konferenzen. Es gehe dort nicht nur um Lesergewinnung, sondern auch um die »Überwindung des Kapitalismus« durch Klassenkampf, sieht er auch dort Anhaltspunkt für Bestrebungen gegen die FDGO.

Die Prozesskosten muss der Verlag 8. Mai GmbH tragen. Dies ist bei einem auf 115.000 Euro angesetzten Streitwert keine Kleinigkeit. Auch das erscheint als ein Versuch, der Zeitung den »Nährboden zu entziehen«, wie die Bundesregierung die Nennung der jW im Verfassungsschutzbericht in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage gerechtfertigt hatte.

Das Gericht habe »eins zu eins das krude und dumme Zeug des Verfassungsschutzes übernommen«, empörte sich Dietmar Koschmieder. Es habe allerdings nie die Erwartung bestanden, gleich in der ersten Instanz zu siegen. Zwar hat der Richter mit der Begründung, es handele sich um einen Einzelfall, der keine grundsätzliche Bedeutung hätte, eine Berufung nicht zugelassen. Allerdings wird die junge Welt alle Rechtsmöglichkeiten ausschöpfen. Wenn der Vorwurf des Geheimdienstes laute, die jW schaffe Reichweite und beeinflusse den Meinungsbildungsprozess, dann werden wir das weiter tun, versprach Koschmieder.