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23.07.2024 16:00 Uhr

Prozess: junge Welt vs. Staat

Es war ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit in der Bundesrepublik: Am 18. Juli 2024 entschied das Verwaltungsgericht Berlin, dass die Tageszeitung junge Welt weiterhin in den jährlichen Berichten des Verfassungsschutzes als »Linksextremistisch« und damit Verfassungsfeindlich aufgeführt werden darf.

Der Richter führte für sein Urteil fragwürdige Gründe an: Die jW strebe eine »Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Verständnis« an, in Redaktion und Verlag arbeiten Mitglieder der DKP. Der jW wird überdies vorgeworfen, ein politischer Faktor zu sein, z.B. wenn sie die Rosa-Luxemburg-Konferenz organisiert. Außerdem bekenne sich die Zeitung nicht ausreichend zur Gewaltfreiheit. »Eins zu eins das krude und dumme Zeug des Verfassungsschutzes«, kommentierte der Geschäftsführer der Verlag 8. Mai GmbH, Dietmar Koschmieder, die Begründung des Richters am Tag des Urteils. Unsere Berichte über den Prozess können Sie hier nachlesen.

Dass sich diese Begründungen schnell als äußerst fadenscheinig herausstellen, können auch Kommentatoren konservativer und bürgerlicher Blätter, die keinerlei Sympathien gegenüber der jW hegen, nicht leugnen. Viel Solidarität erreichte uns von vielen Journalistinnen und Journalisten, nicht nur aus Deutschland. Sämtliche Berichte und Kommentare anderer Medien können Sie hier nachlesen.

Kurz vor dem Prozess haben wir das junge Welt extra: Grundrechte verteidigen! (kostenloser Download) veröffentlicht. Darin finden Sie viele weitere Informationen zum Prozess, sowie politische Einordnungen der geheimdienstlichen Tätigkeiten der Bundesbehörde.

Unserer Zeitung einen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen, ist das erklärte Ziel des deutschen Inlandsgeheimdienstes. In der Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage gab die Bundesregierung am 5. Mai 2021 an, man wolle der jW den »Nährboden zu entziehen«. Wir werden uns weiterhin dagegen wehren und unsere Pressefreiheit verteidigen! Und dafür, wenn nötig, bis vor das Bundesverfassungsgericht und den europäischen Gerichtshof ziehen. Lesen Sie dazu diesen Brief an unsere Leserinnen und Leser und alle Freundinnen und Freunde der Meinungs- und Pressefreiheit.

Schon jetzt sind uns in diesem Kampf für Pressefreiheit hohe Kosten entstanden. Unterstützen Sie die junge Welt mit einer Spende für den jW-Prozeßkostenfonds:


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Appell für Presse- und Meinungsfreiheit

Von Verlag, Redaktion und Genossenschaft der Tageszeitung junge Welt

In großer Sorge um die Pressefreiheit in diesem Land wenden sich Verlag, Redaktion und Genossenschaft der in Berlin erscheinenden Tageszeitung junge Welt an die deutsche und internationale Öffentlichkeit. Als einzige Tageszeitung in der Bundesrepublik steht die junge Welt unter Dauerbeobachtung durch den Inlandsgeheimdienst. Seit dem Jahr 2004 wird sie regelmäßig im Verfassungsschutzbericht des Bundes im Kapitel »Linksextremismus« aufgeführt und dort als »Gruppierung« eingestuft, die angeblich »verfassungsfeindliche Ziele« verfolgt. Nun handelt es sich bei der jungen Welt nicht um eine politische Organisation, sondern um ein journalistisches Produkt. Wir sehen einen handfesten politischen Skandal darin, dass eine staatliche Behörde sich anmaßt, eine unabhängige Zeitung in dieser Weise an den Pranger zu stellen, weil ihr bestimmte Inhalte nicht gefallen.

In einem offenen Brief an alle Bundestagsfraktionen hatten Redaktion, Verlag und Genossenschaft Mitte März 2021 diesen drastischen Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit beklagt. Sie wiesen zudem auf »erhebliche Nachteile im Wettbewerb« hin, die der jungen Welt aus der Nennung im VS-Bericht erwachsen. So verweigern die Deutsche Bahn und verschiedene Kommunen und Radiosender unter Verweis auf den Verfassungsschutz-Eintrag das Anmieten von Werbeplätzen, Bibliotheken sperren den Onlinezugang zur Zeitung, und eine Druckerei weigerte sich, eine andere Druckschrift mit einer Anzeige der jungen Welt herzustellen. In Reaktion auf unser Schreiben wandte sich die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke mit einer Kleinen Anfrage (BT-Drucksache 19/28956) an die Bundesregierung, um sich im Detail nach den Gründen für die geheimdienstliche Beobachtung der jungen Welt und deren Nennung im VS-Bericht zu erkundigen.

Die Antwort der von Union und SPD geführten Regierung vom 5. Mai 2021 muss beunruhigen, liefert sie doch Argumente für eine sehr weitgehende Einschränkung bürgerlicher Freiheitsrechte, die alle fortschrittlichen Kräfte in diesem Land betreffen. Die Bundesregierung rechtfertigt ihre Eingriffe mit der »verfassungsfeindlichen« weltanschaulichen Orientierung der jungen Welt: »Themenauswahl und Intensität der Berichterstattung zielen auf Darstellung ›linker‹ und linksextremistischer Politikvorstellungen und orientieren sich am Selbstverständnis der jW als marxistische Tageszeitung.« Weiter heißt es, »die Aufteilung einer Gesellschaft nach dem Merkmal der produktionsorientierten Klassenzugehörigkeit (widerspreche) der Garantie der Menschenwürde«. In klaren Worten führt die Bundesregierung aus, dass es ihr darum geht, Relevanz und »Wirkmächtigkeit« der jungen Welt einzuschränken. Das Stigma der Nennung in den VS-Berichten diene auch dem Zweck, »verfassungsfeindlichen Bestrebungen (…) den weiteren Nährboden entziehen zu können«. Um die Reichweite der Zeitung einzuschränken, werden ihre ökonomischen Grundlagen also bewusst angegriffen. Die Bundesregierung kriminalisiert eine Weltanschauung in einer Weise, die an Gesinnungsterror und damit an finsterste Zeiten des Kalten Krieges erinnert. Während sie vermeintliche oder tatsächliche Einschränkungen bürgerlicher Freiheitsrechte in Staaten wie Russland, China oder Kuba wortreich beklagt, werden hierzulande unverschleiert vordemokratische Standards etabliert.

Wir appellieren an die kritische Öffentlichkeit, sich dieser von obrigkeitsstaatlichem Denken geleiteten Einschränkung demokratischer Grundrechte zu widersetzen. Wir bitten Sie: Studieren Sie gründlich die Antwort der Bundesregierung! Fordern Sie Ihre demokratisch gewählten Bundestagsabgeordneten auf, dazu Stellung zu nehmen! Zeigen Sie sich solidarisch mit der Tageszeitung junge Welt – auch im eigenen Interesse! Verlag, Redaktion und Genossenschaft werden sich nicht einschüchtern lassen und auch weiterhin alles dafür tun, dass eine relevante linke Tageszeitung auf dem Markt verfügbar bleibt.

Berlin, 7. Mai 2021

Wir dokumentieren:

Erwähnung der Tageszeitung junge Welt im Bericht 2020 des Bundesamtes für Verfassungsschutz, 15.06.2021:

»Die jW ist mehr als ein Informationsmedium«

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