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Westend Girls

Von Andreas Gläser
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Elfie Wellhausen (Hertha BSC, l.) gegen Lina Katharina Vianden (Türkiyemspor), Kressmannsdorf, 31. August 2025

Sonntag, 14 Uhr, erster Spieltag der drittklassigen Regionalliga Nordost. Es steigt ein Berliner Derby bei den Frauen: Türkiyemspor gegen Hertha BSC. Das Willy-Kressmann-Stadion im Viktoriapark wurde nach dem SPD-Mann benannt, der von 1949 bis 1962 als Bezirksbürgermeister in Kreuzberg agierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg reiste dieser als erster deutscher Politiker auf offizielle Einladung in die USA, wo er einen weißen Stetson erwarb. Den trug er auch in Berlin, woraufhin man ihn Texas-Willy nannte. Und Kreuzberg hieß für einige Berliner nur Kressmannsdorf.

Der Eintritt zum Spiel wurde für schmale fünf Euro gewährt, und wenn man demnächst zehn Cent Kulturbeitrag raufschlägt, können sogar Torlatten und Pfosten frisch angestrichen werden. Prima. Unter den etwa 250 Zuschauern gab es drei Dutzend lautstarke Hertha-Fans, die sich hinter der Gästebank eingefunden hatten. Schön, dass sie ihre Banner mit den Aufschriften »Westend Girls« und »Donna Hertha« zeigten. Nicht so schön, dass sie Trommel und Megaphon mitgebracht hatten. Es schepperte: »Hier kommt Hertha, / scheißt euch in die Hosen, / die Kurve ist am Toben, / gemeinsam holen wir uns den Sieg!«

Ich hatte weniger Bedenken um mein Gedärm, sondern eher um mein Gehör. Türkiyemspor trat im schicken Dunkelblau an. Hertha in Neongelb. Den Frauen steht diese Farbe der Auswärtskollektion besser als den Herren. Und sie sollten damit auch punkten. Herthas Frauen wollen in die zweite Bundesliga aufsteigen. Nunmehr mit neuem Trainer, Tobias »Kurbel« Kurbjuweit, Sohn der FC-Carl-Zeiss-Jena-Legende Lothar Kurbjuweit, der es unter anderem auf 66 Einsätze in der DDR-Nationalmannschaft gebracht hatte.

Die Hertha-Mädels waren am Ende der abgelaufenen Saison Zweite geworden, hinter den Lokalrivalinnen von Viktoria. Türkiyemspor landete im Zwölferfeld auf Rang neun. Das Spiel verlief außerordentlich fair, die Gäste kämpften sich allerdings fili-graner zum gegnerischen Tor vor. Nach einer halben Stunde begannen sie, im gefühlten Zehnminutenabstand ihre Tore zu erzielen: Lotte Reimold (31.), Elfie Wellhausen (40.), Johanna Seifert (50.) und Amelie Blättner (76.). Die Fans skandierten: »Willst du Hertha siegen sehen, / musst du zu den Frauen gehen!« Mitunter ergaben sich nette Gespräche mit Vertretern des familiären Anhangs der Spielerinnen. Am 6. September steigt ab 15 Uhr im Amateurstadion, unweit vom Olympiastadion, Herthas Spitzenspiel gegen RB Leipzig II, deren Spielerinnen in der Vorsaison Dritte wurden. Den Auftakt gegen Carl-Zeiss Jena II haben die Messestädterinnen 2:3 verloren. Es gibt, wie bei den Männern, fünf Staffeln der Regionalliga: Nordost, Nord, Süd, West und Südwest. Bei den Frauen steigen am Ende dieser Saison aber alle Spitzenreiterinnen direkt auf.

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