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Aus: Ausgabe vom 13.11.2024, Seite 16 / Sport

Die Macht der Barras Bravas

Von André Dahlmeyer
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Sieht nach Ärger aus: Polizei vorm Stadion in Rosario

Einen wunderschönen guten Morgen! Wenn man während der zwölf- bzw. 16jährigen Herrschaft des Kirchnerismus (2003 bis 2015, 2019 bis 2023) in Argentinien öffentlich zu bedenken gab, der Fußball sei ein Spiegel der Gesellschaft, wurde einem von der Politik die Totschlagsbrezel »Vaterlandsverräter« um den Hals gehängt. Nicht direkt als brennender Autoreifen, aber die Warnung zeigte Wirkung: Man war gebrandmarkt, sollte sich verdammt noch mal raushalten. Möglicherweise verlor man seine Arbeit. Dies zu einer Zeit, in der Tote beim und um den Fußball herum üblich waren. Es herrschte der Krieg der Barras Bravas. Er herrscht noch immer.

Barras Bravas sind keineswegs vergleichbar mit den Hooligans oder Ultras in Europa. Sie sind Mafia pur, benutzen die Folklore des Fußballs als Vehikel für Menschenhandel, Drogen- und Waffengeschäfte. Selbst an Spielerverkäufen talentierter Lebendzweibeiner an die europäischen Topklubs sind sie üppig beteiligt. Dass der Euro so munter rollt, liegt vor allem daran, dass Justiz, Polizei, Politik, Vereinsfunktionäre, selbst manche Kicker eifrig partizipieren.

Barras Bravas werden gern von politischen Parteien engagiert – etwa als Prügeltrupps. Die Kirchneristen begannen sogar, sie staatlich zu organisieren und zu finanzieren. Das ging in die Hose. Bereits zu Beginn der WM 2010 bei den Kapholländern wurden die meisten dieser »offiziellen« Barras Bravas ausgewiesen, einer kam im Zinksarg zurück. Vertiefen wir das nicht weiter. Aber wenn Sie Blut geleckt haben, empfehle ich Ihnen das beim Berliner Verlag Assoziation A erschienene Buch »Futbolistas. Fußball und Lateinamerika: Hoffnungen, Helden, Politik und Kommerz« (2006). Ich bin der Koautor. In einem meiner Beiträge beschäftige ich mich mit exakt diesem Thema. Ursprünglich wollte der Spiegel den Text drucken, die Redaktion kniff dann aber lieber die Arschbacken zusammen.

Geändert hat sich an der Situation bis heute nichts. In Rosario, der Geburtsstadt von Leo Messi und des Che, wurden am Sonnabend auf offener Straße aus Schmauchspurdistanz der Boss der Barra von Rosenkranz Central, Andrés »Pillín« Bracamonte, und dessen Stellvertreter Daniel »Frosch« Atardo hingerichtet. Festnahmen? Fehlanzeige. Beide Körper wiesen fünf Schusswunden auf. Von »offenen Rechnungen« war schnell die Rede, von einem Maulwurf in der Barra von Central. Montag morgen (Ortszeit) informierte der für Tötungsdelikte zuständige Staatsanwalt, Alejandro Ferlazzo, es werde nach drei Tätern gesucht.

Die getöteten Barras waren nach dem Heimspiel gegen San Lorenzo (0:1) vor dem Stadion in ihrer Camioneta Chevrolet S10 in einen Hinterhalt gelockt und aus nächster Nähe in einem regelrechten Kugelhagel ermordet worden. Die Straßenbeleuchtung sei »ausgefallen« gewesen. Am 1. Oktober war bereits der Barra »Samu« Medina ermordet worden: Schwiegersohn von Ariel »Guille« Cantero von der Narcobande »Los Monos« (Affen), mit denen Bracamonte Geschäfte machte. Am 20. Oktober hissten Vermummte als Hommage an Medina auf einer Tribüne des Stadions eine imposante Flagge der Monos mit dem Schriftzug »Wir respektieren niemand«. Auf Bracamonte war zuletzt im August, nach dem Rosario-Klassiker gegen den Messi-Klub Newell’s Old Boys, ein Anschlag mit Schusswaffen verübt worden. Das Thema ist immer das gleiche: Es geht ums Aufteilen von Territorien.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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