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Aus: Ausgabe vom 13.03.2024, Seite 10 / Feuilleton

Schmitt

Von Jegor Jublimov
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Erich Schmitt im November 1976 in der Fernsehshow »Nacht der Prominenten« in Kooperation mit dem Staatszirkus der DDR

In der Trödelsendung »Bares für Rares« bei ZDF und ZDF Neo brachte mal jemand Ede und Edeltraud als Holzfiguren mit – er Extierparklehrling, sie Tierpflegerin. Der sogenannte Experte Sven erkannte sofort, dass es sich um Werbefiguren handele, die man sich im Tierpark Berlin einfallen ließ. Was er nicht wusste: »Man« war kein Geringerer als der Zeichner Erich Schmitt, der Comicstriplieblinge für Groß und Klein schuf. Schmitt, der am 11. März 100 Jahre alt geworden wäre und am 29. Dezember 1984 schon mit 60 gestorben ist, war einer der fähigsten Comiczeichner der DDR. Der Urberliner, der gleich nach dem Krieg eine Zeichnerschule besuchte, brachte seine ersten Karikaturen 1947 bei der Jugendzeitschrift Start unter, ehe er ab 1948 bei der Berliner Zeitung fest angestellt und dort bald für die aktuelle Karikatur auf Seite zwei zuständig wurde. Beliebt wurde der mit großem Mutterwitz gesegnete Schmitt mit Berlinischen Humorzeichnungen, etwa in der Rubrik »Imma uff det Schlimme«. Aber als ausgewiesenem Linken gelangen ihm auch politische Themen. Er porträtierte das zerfurchte Gesicht von Bundeskanzler Adenauer ebenso wie den damaligen Westberliner Regierenden Bürgermeister Willy Brandt, dem der Ausspruch »Berlin muss Stachel im Fleisch der DDR sein« nachhallte, bevor die Entspannungspolitik einsetzte. Schmitt war auch der einzige DDR-Karikaturist, der eine Walter-Ulbricht-Zeichnung veröffentlichte (die ihm allerdings sehr freundlich gelang).

Seinen Ausgleich fand Schmitt in den Comicgeschichten und Bildreihen, die Frischer Wind, Eulenspiegel, Freie Welt und Wochenpost gern druckten. Die erste Geschichte war 1953 die mit gegenwärtigen Anspielungen gespickte biblische Geschichte von der Arche Noah. Es folgten die Seejungfrau Nixi, der freche mittelalterliche Knappe Kuno Wimmerzahn, im Zeichen der Kybernetik der Roboter Kollege Blech und bald die Geschichten um den Weltraumfahrer Karl Gabel (der Schmitt verdächtig ähnlich sah). Alle erschienen auch in Buchform, gipfelnd in der Zusammenstellung »Das dicke Schmitt-Buch«, das seit 1968 unzählige Male wiederaufgelegt wurde. Auch heitere Erzählungen illustrierte er. In vielen Ländern – auch in der BRD – wurde er nachgedruckt. Loriot erkannte 1977 an: »Schmitt ist eines der noch ganz selten vorkommenden Originale. Er ist eine massive, in sich ruhende Begabung.«

Der große Tierfreund, der zur Freude seiner beiden Söhne zu Hause einen kleinen Privatzoo betrieb, hat auch Tierparkdirektor Prof. Dathe in Büchern wie »Ede, der Tierparklehrling«, »Verschmittzter Tierpark« und »Erich Schmitts Tierlexikon« ein Denkmal gesetzt. Kein Denkmal, aber eine Ausstellung mit Arbeiten heutiger Zeichner, die sich an Schmitts Figuren anlehnen, hat Thomas Möller vom Comicmuseum Neubrandenburg organisiert. Sie feiert in Berlin am Donnerstag im Pankower Café Impuls Vernissage, bei der auch die Gruppe MTS auftreten wird. Für die hat Schmitt früher getextet. Frontmann Thomas Schmitt macht gern Musik und zeichnet ebenso originell wie sein Vater.

»100 Jahre Erich Schmitt«. Vernissage: 14. März, ab 19.30 Uhr, Café Impuls, Breite Straße 49, Berlin

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