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Alles ’ne Mark

Von Andreas Glaeser
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Die Trikots der VfB-Spieler ziert ein Logo, das wie ein erstes KI-Experiment aussieht, das von Polonia erinnert an ein Punkkneipenemblem

Sonntag, 11 Uhr, am Volkspark. Neunte Bundesliga. Der VfB Berlin-Friedrichshain 1911 trifft auf den FC Polonia. Kreisliga A, Abteilung vier. Im Sonderheft der Fußballwoche findet sich dazu eine Übersicht auf Seite 187 – man blättert und denkt, verdammt, das Teil hat doch nur 170 Seiten. Der Gastgeber aus dem vorderen Tabellendrittel empfängt eine Truppe aus dem letzten Drittel. Die Trikots der VfB-Spieler ziert ein Logo, welches wie ein erstes KI-Experiment aussieht, das von Polonia erinnert an ein Punkkneipenemblem. Der Spaß kostet weder Eintritt noch Schutzgeld.

Als die Mannschaften sich warmmachen, fliegt manch Leder ins Aus. Ich habe meine erste Ballberührung, werde nicht verhaftet. Alles entspannt, flottes Spiel. Keine Trennung der 20 Zuschauer. Ich vermisse die vor Jahren gesichteten Ü-40-Ultras, drei an der Zahl. Es ist kühl, ständig nieselt der Regen. Ich hole mir einen Kaffee und einen Schokoriegel. Alles kostet jeweils eine Mark. Das knappe Dutzend Polonia-Fans trinkt Bier, einer engagiert sich als Linienrichter. Schiri, war Abseits! Die Fans vom VfB sind traditionell eher die, welche für die Kontrahenten Kaffee und Kuchen bereithalten. Mindestens seit 2005, als mein Sohn für einige Jahre im Tor stand. Er war Keeper oder Künstler. Mit ihm und seiner Fieberkurve ließ sich schlecht planen. Später ging er für eine Saison zum Basketball, dann für drei Spielzeiten mit einem Mädchen. Nicht die schlechteste sportliche Karriere. Ob ein Junge seiner damaligen Truppe in dieser Männermannschaft spielt? Könnte sein.

Der VfB geht verdient in Führung, Polonia gleicht aus. 1:1, Pause. Ich brauche einen Tee. Immer rein damit, die WCs sind hier menschenfreundlicher als fünf Spielklassen höher. Man sieht, wo die Fördergelder bleiben. Auch während der zweiten Halbzeit läuft das Spiel zackig über den nassen Kunstrasen. Auf diesem Geläuf finden weder Fuchs noch Krähe eine Maus oder einen Wurm. Es herrscht hohe Verletzungsgefahr, mit und ohne Gegnereinwirkung. Wenn in dieser Liga einer liegt, glaubt man ihm. Inzwischen ist die Seitenlinie gut bevölkert, von Anwohnern und Auswechselspielern, Spaziergängern und Joggern. 60 friedliche Seelen. Der VfB schwingt sich zu flotten Kombinationen auf. Folgerichtig fällt das gut herausgespielte 2:1. Polonia drängt auf den Ausgleich, versiebt aber zwei Chancen und verliert. Der VfB rückt vom vierten auf den dritten Platz vor und lauert bei drei Punkten Rückstand zum Tabellenführer FC Arminia Tegel 77, der sein Spiel gegen FC Treptow 3:2 gewinnt, auf die Eroberung des Platzes an der Sonne. Polonia wird die Klasse halten. Gut so.

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