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Aus: Ausgabe vom 29.07.2019, Seite 10 / Feuilleton
Klassik

Irritierend

Nach der »Tannhäuser«-Premiere bei den Bayreuther Festspielen geht der schwarze Travestiekünstler Le Gateau Chocolat mit dem Publikum ins Gericht. »Liebes Bayreuth«, schrieb er, »dass ich der einzige Charakter war, (…) der auf dieser Bühne ausgebuht wurde, sagt viel darüber aus, wer Ihr (immer noch) seid«, schrieb er am Freitag in Englisch auf Twitter und Facebook. Dem Regieteam sei es wichtig gewesen, die queere Identität des Künstlers zu bewahren, diese sei aber »offensichtlich vielen von Euch fremd«. Die Buhrufe seien eine »elende Schande«. Der auch schon im Royal Opera House in London zu sehende Le Gateau Chocolat ist der heimliche Star der Neuproduktion von Regisseur Tobias Kratzer. Er bildet darin als Mitstreiter der Venus den freiheitsbetonten Gegenpart zur strengen Hochkultur und tritt in der Pause mit einer Gesangseinlage im Park des Festspielhauses auf.

Ohne Irritationen ging es dann am Wochenende weiter: Der eher einfallslose »Lohengrin« von Yuval Sharon wurde in seinem zweiten Jahr am Freitag abend ebenso bejubelt wie Barrie Koskys »Meistersinger von Nürnberg« in ihrem dritten Jahr am Samstag. In letzterer Inszenierung wird immerhin recht plakativ Wagners Antisemitismus verhandelt. (dpa/jW)

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