Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
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Angriff auf Pressefreiheit

junge Welt habe Beobachtung durch Verfassungsschutz hinzunehmen, meint das Berliner Verwaltungsgericht
Von Denis Gabriel
Im Visier der Staatsmacht (Demonstration in Dresden, Februar 2012)

Seit Jahren arbeitet das Bundesamt für Verfassungsschutz daran, der Tageszeitung junge Welt »den Nährboden zu entziehen«. Das jedenfalls wird von der Institution als Grund angegeben, weshalb die Zeitung und der Verlag 8. Mai, in dem sie erscheint, seit Jahren im Verfassungsschutzbericht als das »bedeutendste und auflagenstärkste Printmedium im Linksextremismus« erwähnt wird. Dagegen hat der Verlag beim Berliner Verwaltungsgericht geklagt. Weil es aber Jahre dauern kann, bis ein rechtskräftiges Urteil zustande kommt, wurde vorsorglich auch der Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, dass bis dahin Berichte nur noch ohne die Nennung von jW und Verlag herausgegeben werden dürfen.

Dieser Eilantrag wurde am Freitag, den 18. März 2022, zurückgewiesen. Noch bevor jW die Lage mit der Anwältin besprechen konnte, informierte das Verwaltungsgericht die Öffentlichkeit. Zwar sei ein Rechtsschutzbedürfnis für Zeitung und Verlag anzunehmen, weil die Veröffentlichung im Verfassungsschutzbericht eine abträgliche Wirkung haben könnte, heißt es im Beschluss. Aber dies sei hinnehmbar. Gegen eine Eilbedürftigkeit spreche auch, dass die junge Welt über Jahre hinweg der Nennung nicht entgegengetreten sei. Zwar wird eingeräumt, dass durch die dortige Nennung das Recht auf Pressefreiheit verletzt werde, nach vorläufiger Prüfung durch das Verwaltungsgericht sei dies aber gerechtfertigt, weil die von der Gegenseite genannten Anhaltspunkte »hinreichend gewichtig« seien.

Denn die junge Welt agiere nicht nur als Tageszeitung, sondern will auch politische Reichweite schaffen und mobilisieren, einzelne Autoren seien dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnen, jW biete Dritten eine Plattform, um Gewaltanwendung zu rechtfertigen. Zudem strebe sie eine Diktatur des Proletariats nach klassischer marxistisch-leninistischer Lehre an, mit Einparteiensystem, fehlender Gewaltenteilung und Opposition. Das ergebe sich aus ihrer Berichterstattung über Kuba und ihrem Verhältnis zum »DDR-Regime« bzw. daraus, dass Maduro als rechtmäßiger Präsident Venezuelas angesehen werde. Aus mehreren Artikeln gehe zudem hervor, dass jW »von einem bestehenden Klassenkampf ausgehe« und Klassen nicht nur für soziologische Betrachtungen nutze. junge Welt habe sogar bekundet, dass »bestehende Verhältnisse veränderbar« seien. Zwar gebe es Meinungsfreiheit, dem Staat sei es aber nicht verwehrt, »aus Meinungsäußerungen Schlüsse zu ziehen«. Das Hauptaugenmerk der jW läge »auf der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung«, sie wolle aber zugleich auf politischer Ebene Reichweite schaffen und vernetzen, das stehe auch bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz im Vordergrund und eben nicht reine Kapitalismuskritik. Alles Hinweise dafür, dass jW mehr sei als eine linke Tageszeitung.

Ebenfalls recht eigenwillig agiert die Kammer bei der Festsetzung des Verfahrenswertes: Statt der üblichen 5.000 Euro setzt sie satte 75.000 Euro an, was die Kosten für den Verlag in die Höhe treibt. Auch so kann man diesem den »Nährboden entziehen«.

Hier geht es zum Dossier zum Thema Überwachung der jungen Welt durch den Verfassungsschutz: #keinmarxistillegal