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Aus: gewerkschaft, Beilage der jW vom 30.09.2009

Klare Kante zeigen

Schwarz-Gelb wird nicht lange fackeln – gewerkschaftlicher Widerstand tut Not
Von Daniel Behruzi
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Hartz IV und Agenda 2010, Ausweitung von Leiharbeit und prekärer Beschäftigung, Privatisierung bei Bildung und Gesundheit, steuerliche Umverteilung von unten nach oben – man könnte meinen, schlimmer als in den vergangenen elf Jahren mit Regierungsbeteiligung der SPD kann es nicht kommen. Doch vor dem Hintergrund der tiefsten Krise seit Bestehen des BRD-Kapitalismus wird es für Beschäftigte, Erwerbslose, Jugendliche und Rentner unter Union und FDP schlimmer werden – viel schlimmer. Diese Parteien sind angetreten, die Krisenkosten auf die Masse der Bevölkerung abzuwälzen. Die Gewerkschaften tun gut daran, sich auf eine massive Konfrontation vorzubereiten.

Die Themen haben Wirtschaftsvertreter unmittelbar nach der Wahl gesetzt: Eine »Steuerstrukturreform zur Stärkung der Unternehmen« und »die gesetzliche Verankerung der betrieblichen Bündnisse für Arbeit« forderte Manfred Wittenstein vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Eine »Korrektur« der Unternehmens- und Erbschaftssteuer sowie »eiserne Haushaltsdisziplin« müsse es geben, so Hans Heinrich Driftmann vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Auch »liebgewonnene Staatsausgaben«, zum Beispiel bei den Sozialtransfers, müßten in Frage gestellt werden. Und so weiter und so fort.

Die neue Regierung wird jetzt schnell dafür sorgen wollen, die durch Milliardengeschenke an Konzerne und Banken sowie die Krisenfolgen überschuldeten Staatshaushalte zu entlasten – zum Beispiel durch eine erneute Erhöhung der Mehrwertsteuer oder durch Lohnkürzungen im Rahmen der Tarifrunde bei Bund und Kommunen. Eine Welle weiterer Privatisierungen steht bevor. Die privaten Krankenhauskonzerne sitzen schon in den Startlöchern, um sich die profitablen Rosinen im Gesundheitswesen unter den Nagel zu reißen. Auch sonst droht in diesem Bereich ein radikaler Umbruch: Die Reste der paritätisch finanzierten Krankenversicherung und die Grundversorgung der Menschen mit Gesundheitsleistungen stehen auf dem Spiel. Die Kernbereiche gewerkschaftlicher Organisationsmacht könnten durch Abschaffung des Tarifvorbehalts oder des Kündigungsschutzes ebenfalls zum Ziel schwarz-gelber Attacken werden – trotz anderslautender Versprechungen der Bundeskanzlerin.

»Hin und wieder Ärger und Krawall« werde es geben, wenn Angela Merkel ihren »zuletzt fairen Kurs gegenüber den Arbeitnehmern« (!) verlasse, ließ IG-Metall-Chef Berthold Huber am Wahltag wissen. Das klingt nach den üblichen Dampfablaßaktionen am Samstag vormittag. Um die anstehenden Verschlechterungen abzuwehren, wird indes deutlich mehr nötig sein. Daß es möglich ist, auch mit parlamentarischen Mehrheiten verabschiedete Gesetze durch betriebliche Proteste zu kippen, hat sich hierzulande zuletzt 1996 gezeigt. Die von der Kohl-Regierung beschlossene Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurde durch eine Welle spontaner Arbeitsniederlegungen in der südwestdeutschen Metallindustrie binnen weniger Tage hinweggefegt. Möglichst breite, betriebs- und branchenübergreifende Streiks sind für die Gewerkschaften auch in den kommenden Konflikten das Mittel der Wahl.

Einiges spricht dafür, daß die Mobilisierungsbereitschaft der Gewerkschaftsspitzen unter Schwarz-Gelb ein wenig ausgeprägter sein wird als bislang. Der alte Bündnispartner SPD, dessen Stimmenanteile sich während seiner neoliberalen Regentschaft nahezu halbiert haben, dürfte versuchen, sich als verbal-kämpferische Opposition zu regenerieren. Fatal wäre, wenn die stärker gewordene Linkspartei sich hierbei als Steigbügelhalter zur Verfügung stellt, wie sich in Äußerungen ihrer Frontmänner Oskar Lafontaine und Gregor Gysi unmittelbar nach der Wahl anzudeuten scheint.

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