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Chinas Überkapazitäten

Von Lucas Zeise
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In China sind die bis Oktober dieses Jahres getätigten Investitionen niedriger ausgefallen als im Vorjahr. Das ist schon eine Sensation für diese seit vier Jahrzehnten rasant wachsende Ökonomie. Abgesehen von der kurzen Frühphase der Coronaepidemie 2020 sind die Investitionen stetig, nein: oft sprunghaft von Jahr zu Jahr rasant gestiegen. 2024 betrug der Investitionszuwachs noch 9,5 Prozent. Der Rückgang im Oktober gegenüber dem Vorjahr beträgt den Zahlen zufolge zwar nur 1,7 Prozent – der Umschwung aber ist dramatisch.

Plausibel wird diese Wendung am ehesten, wenn man sich die Warnungen des Staats- und Parteichefs Xi Jinping vor dem »Hineinrasen in eine industrielle Blasenökonomie« im theoretischen Organ der KP Qiushi vor Augen hält. Im Vorfeld der Verabschiedung des 15. Fünfjahresplans hatte die Parteispitze im Sommer über die seit Monaten sinkenden Erzeugerpreise, den Wettkampf der Provinzen um die höchsten Subventionen für Produktionsstätten von E-Autos, die entstandenen und noch drohenden Überkapazitäten in verschiedenen Branchen und allgemein die »Involution« beraten. Mit diesem eigenartigen englischen Wort ist ein selbstzerstörerischer Zyklus von exzessiver Konkurrenz und Deflation (also sinkenden Preisen) gemeint. Mit einem Problem von Überkapazitäten hat die Volksrepublik bereits unangenehme Erfahrungen gesammelt, nämlich im Immobiliensektor. Die Wohnungspreise sinken bereits seit 2021, weshalb sich das Vermögen und die Kaufkraft der gehobenen Mittelklasse vermindern.

Auch die Überkapazitäten in der Solarstrombranche sind eine akzeptierte Tatsache. Die Unternehmen sind, weil sie unterausgelastet produzieren, tief in den roten Zahlen. Natürlich ist es lächerlich, wenn in Deutschland behauptet wird, China habe die früher boomende Solarindustrie mittels Subventionen vernichtet. Ebenso albern aber ist es, wenn ein professioneller China-Anbeter wie Wolfram Elsner (etwa in Unsere Zeit vom 28. 11. 2025) den massiven Kapazitätsausbau im gelobten Land immer nur als großartigen Erfolg preist.

Erkennbar ist immerhin, dass gegengesteuert wird. Und offensichtlich nicht nur vom großen Vorsitzenden Xi. Der wüste (und erfolgreiche) Investitionsboom der vergangenen Jahrzehnte scheint langsam beendet zu werden. Aber die auch im neuen Fünfjahresplan angestrebte Stärkung der Binnennachfrage steht erst an dritter Stelle der Prioritätenskala. Makroökonomisch wäre das am leichtesten durch eine Stärkung der Währung, des Renminbi-Yuan, zu erreichen. Es würde zwar die Wettbewerbskraft chinesischer Exporteure auf den Weltmärkten mindern, aber durch billiger werdende Importe die Kaufkraft der Konsumenten erhöhen. Die chinesische Zentralbank People’s Bank of China (PBC, Chinesische Volksbank) stellt mittels täglicher Eingriffe am Devisenkurs den jeweils gültigen Wechselkurs des Yuan zum US-Dollar fest. Er liegt derzeit und seit langem bei etwas über sieben Yuan zu einem US-Dollar. Sie »rät« den Devisenhändlern, mit einer langsamen Aufwertung zu rechnen, was bis Jahresende einen Dollarkurs von sieben Yuan glatt und in einem Jahr von vielleicht 6,85 Yuan bedeuten könnte.

Das entspräche einer Aufwertung des Yuan um weniger als vier Prozent. Ein derartig zartes Vorgehen der PBC wäre spiegelbildlich ein um so größeres Drama.

Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen.

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