Hauch von Françafrique
Von Joaquín Mbomío Bacheng
Die Präsidentschaftswahlen in Kamerun haben letztlich wenig gebracht. War das alles für das Land, dessen koloniale Teilung in einen frankophonen und einen anglophonen Teil noch immer nachwirkt? Ein Sieg für Staatschef Paul Biya, der eine achte Amtszeit anstrebte. Beobachtern zufolge hatte der treue Verbündete der alten Kolonialmacht Frankreich seinen Sieg sicher, als er seinen Konkurrenten Maurice Kamto von dem Urnengang ausschließen ließ. Kamto hatte bei den Wahlen von 2018 für Aufsehen gesorgt und galt als einer der Kandidaten, die den alten Präsidenten in einer freien Wahl deutlich hätten schlagen können.
Die Regierung nahm sich viel Zeit für die Auszählung der Stimmen. Die Wahlen fanden am 12. Oktober statt. Die Ergebnisse wurden jedoch erst an diesem Montag veröffentlicht. Die Organisation »Un Monde Avenir« hatte fast 800 Beobachter im ganzen Land eingesetzt, darunter 35 in den englischsprachigen Landesteilen im Süd- und Nordwesten, die Schauplatz separatistischer Bestrebungen sind. Einem Beobachter zufolge gab es in diesen Krisenregionen eine deutliche Verbesserung der Wahlbeteiligung. Tatsächlich hatten sich die englischsprachigen Kandidaten aus dem Norden dem starken Mann Issa Tchiroma Bakary, einem ehemaligen Minister Biyas, angeschlossen. Aller Voraussicht nach hätte er die Präsidentschaftswahlen gewinnen müssen, denn nur der Süden stimmte für Biya, alle anderen Regionen gegen ihn.
Am Ende des Wahltags warnte Paul Atanga Nji, Minister für territoriale Verwaltung, alle Kandidaten davor, der Versuchung nachzugeben, sich außerhalb der gesetzlich festgelegten Fristen zum Wahlausgang zu äußern. Die Mahnung richtete sich insbesondere an Tchiroma, der seinen Sieg unmittelbar nach der Abstimmung verkündet hatte und in dessen Hochburg Garua es schon am Ende des Wahlkampfs mehrere Zwischenfälle gegeben hatte. Sein Team prangerte Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Stimmen an. Die Vertreter des Kandidaten aus dem Norden verließen die Wahlkommission wegen Manipulation der Ergebnisse. Auch in der Hauptstadt Douala gingen seine Anhänger am Sonntag auf die Straße, mindestens vier Demonstranten wurden getötet.
Nun kehren die Kameruner zu ihrem Alltag zurück, der so hart ist wie die »grausame Stadt«, die der größte Autor des Landes, Mongo Beti, in seinem gleichnamigen Roman beschrieben hat. Am Tag der Wahl war zudem die Fußballnationalmannschaft »Les Lions Indomptables« aus der Qualifikation für die nächste Weltmeisterschaft ausgeschieden. Sie unterlag einem kleinen, auf der Weltbühne wenig beachteten Land, Cabo Verde, das nur eine halbe Million Einwohner hat, während Kamerun knapp 30 Millionen Einwohner zählt.
Die kamerunische Wirtschaft ist wie ein halbleeres oder halbvolles Glas. Trotz der Widrigkeiten, die das Land in letzter Zeit erlebt hat – der Covidepidemie, der Bedrohung durch Boko Haram an seinen Nordgrenzen, der Finanzkrise in ihren vielen Facetten, der geopolitischen Fragmentierung –, finden manche das Glas halb voll. Das Bruttoinlandsprodukt stieg 2024 laut Experten um 3,5 Prozent, die Inflation sank deutlich von 7,4 auf 4,5 Prozent, ein Wachstum, das insbesondere durch die Ausbeutung natürlicher Ressourcen gestützt wurde. Der Kampf gegen die Erderwärmung und die Umsetzung von Reformen im Finanzmanagement haben ebenfalls Früchte getragen und zu einem Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen um 42,7 Milliarden CFA-Francs geführt. Der Anstieg des Kakaopreises und der Verkauf von Baumwolle haben ebenfalls zur Verbesserung der Handelsbilanz des Landes beigetragen.
Die Weltbank weist jedoch auf die Liquiditätsprobleme und die Gefahr einer Überschuldung hin. Hinzu kommen die strukturellen Schwierigkeiten des kamerunischen Staates. Die Armut der Bevölkerung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verschärft, insbesondere in den Regionen und Departements im Norden, wo die Infrastruktur am schlechtesten entwickelt ist. Vorbei sind die Zeiten, in denen Kamerun aufgrund seiner strategischen Lage und seiner Reichtümer als robustes, prosperierendes Land und zukünftige Lokomotive der afrikanischen Wirtschaft angesehen werden konnte.
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