Gegründet 1947 Sa. / So., 06. / 7. September 2025, Nr. 207
Die junge Welt wird von 3036 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 05.09.2025, Seite 16 / Sport
Sportvermarktung

Zu früh Superstar

Geschäfte mit Kindern: Wie Marken um Talente kämpfen. Häufig zum Nachteil für die jungen Sportler.
Von Jens Walter
imago1056581505.jpg
Einst als neuer Pelé gefeiert: Freddy Adu

An der Wand hängen Schwarzweißbilder der brasilianischen Fußballikonen Ronaldinho und Ronaldo. Davor posiert der achtjährige Nathan Inacio mit Zahnlücke und Gucci-Shirt. Seine Arme auf dem Instagram-Foto scheinen kaum stark genug, um die vollen Nike-Tüten zu halten. Übereinstimmenden Berichten zufolge stattete der US-amerikanische Sportgigant das junge Talent, das wahrscheinlich gerade erst lesen und schreiben gelernt hat, kürzlich mit einem Ausrüstervertrag aus.

Was wie ein Fußballmärchen klingt, ist für die Marke ein Coup im globalen Wettstreit um die Stars von morgen. Ein Deal, der für die Kinder nicht ohne Risiken ist. »Der Hype um junge Spieler und ihre Kommerzialisierun erhöhen die Erwartungen und den Druck in einem Entwicklungsprozess, der ohnehin schon anspruchsvoll und chaotisch ist. Es handelt sich um junge Menschen, die in ein Alter kommen, in dem sie extrem verletzlich und fragil sind«, erklärte Geir Jordet, Professor für Psychologie und Fußball in Norwegen, der dpa.

Das brasilianische Portal O Globo sprach von einem »Deal mit Signalwirkung« und sagte der Fußballhoffnung von Flamengo eine prächtige Zukunft voraus. Dass junge Überflieger nicht immer zu großen Stars werden, zeigt das Beispiel des heute 36 Jahre alten Freddy Adu. Einst als neuer Pelé gefeiert, unterschrieb Adu als Teenie einen Profivertrag in den USA, machte Werbung für Nike und Pepsi. Den Erwartungen konnte der als Jahrhunderttalent gehandelte Fußballer aber nie gerecht werden. Nach schwachen Jahren in der MLS wechselte er nach Europa und tingelte erfolglos durch verschiedene Ligen. Am Ende war er nicht mal mehr genug für einen schwedischen Drittligisten. Der Hype schadete Adus Einstellung nachhaltig. »Alles passierte so schnell. Einige meiner Entscheidungen verhinderten, dass ich mein Potential voll ausschöpfen konnte«, sagte Adu vor zwei Jahren bei CBS. Schon als Teenager sei er an Orten gewesen, an denen er nicht hätte sein sollen. »Barbesuche, solche Sachen. Ich habe das genossen, statt mich auf Dinge wie Regeneration, Ernährung, Fitness und meinen Körper zu kümmern. Talent alleine reicht nicht. Du musst dir deinen Arsch aufreißen.«

Vergleichbare Beispiele gibt es viele. So wird auch Kauan Basile, der 2021 als Achtjähriger einen Deal mit Nike abschloss, als künftiger Star gehandelt. Heute hat der Brasilianer fast zwei Millionen Follower auf Instagram und posiert mit Neymar für Werbekampagnen. Auch der Exleipziger Xavi Simons und der ehemalige BVB-Jungstar Youssoufa Moukoko unterschrieben früh beim Sportgiganten. Moukoko schaffte später den Sprung zu den Profis, konnte sich aber nie wirklich durchsetzen. Jetzt spielt er beim FC Kopenhagen.

Experten haben verschiedene Erklärungen, wieso sich solche Wunderkinder im Verlauf ihrer Karriere schwertun können. »Dies ist besonders schwierig, wenn diese Spieler in eine Phase eintreten, in der sie Rückschläge und Widrigkeiten erleben werden, in der dieselben Stimmen, die sie als ›die nächste große Sache im Fußball‹ hochgejubelt haben, sie nun als Flops und Versager niedermachen«, erklärte Jordet. Wunderkinder müssten daher extrem widerstandsfähig und robust sein, um sich durchzusetzen. Sportpsychologe Jürgen Beckmann von der TU München ergänzte: »Die Talentforschung hat gezeigt, dass eins der wichtigsten Talentmerkmale ›Coachability‹ ist. Wenn ein Kind als Wunderkind gehypt wird, besteht hier die Gefahr, dass die Bereitschaft zu lernen eher unterentwickelt ist, weil man schon Superstar ist.«

Der globale Wettbewerb zwischen den Sportartikelriesen verschärft die Jagd nach Superstars. »Adidas und Nike dominieren den Markt, Puma ist der dritte große Player. Wer zuerst zugreift, sichert sich die Exklusivität. Die Angst ist groß, dass alles, was man selber versäumt, dem Rivalen nützt«, erklärte Sportökonom Christoph Breuer der dpa. Schließlich seien zukünftige Superstars kommerziell extrem wertvoll.

Die Sportgiganten befinden sich untereinander in einem Wettrennen, wie Johan Adamsson, Sportmarketingchef bei Puma, im dpa-Gespräch verrät. Alle seien auf der Suche nach dem nächsten Messi oder Neymar. Adidas-Sprecher Oliver Brüggen erklärte, dass das Ziel sei, Spieler frühzeitig an die Marke zu binden und eine persönliche Beziehung aufzubauen. Die großen Ausrüster habe Scoutingabteilungen, um weltweit Talente zu identifizieren. »Während die Clubs vor allem die sportliche Entwicklung im Blick haben, liegt unser Schwerpunkt auf der Markenbindung. Deshalb spielt die Persönlichkeit der jungen Athleten für uns eine entscheidende Rolle«, erklärte Adamsson. Einer der größten Coups in der Unternehmensgeschichte von Puma: Usain Bolt im Alter von 15 Jahren unter Vertrag zu nehmen. Der Sprinter aus Jamaika gewann später acht Gold-medaillen bei Olympischen Spielen.

Eine feste Altersgrenze für Ausrüsterdeals gibt es bei Puma übrigens nicht, Adidas wollte sich zu seinen Sponsoringrichtlinien nicht äußern. »Dennoch gehen wir bei Geschäften mit Kindern stets mit größter Sorgfalt vor. Gemeinsam mit Eltern und Beratern tragen wir als Ausrüster eine besondere Verantwortung und sind uns bewusst, welche Risiken es mit sich bringt, junge Sportler früh in die internationale Öffentlichkeit zu stellen«, sagte Adamsson.

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro