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Aus: Ausgabe vom 11.08.2025, Seite 4 / Inland
Nibelungentreue der BRD

Kanzler hält Kurs

Merz verteidigt begrenzten Lieferstopp für Rüstungsgüter nach Israel. Kooperation zwischen Berlin und Tel Aviv soll ausgebaut werden
Von Kristian Stemmler
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Nicht zu früh freuen: Demo gegen Waffenlieferungen und den Genozid an den Palästinensern (Berlin, 14.6.2025)

Der Bundeskanzler lasse Israel im Stich. Hardliner sprechen von einem »strategischen Fehler« oder gar von einer »Abkehr von Jahrzehnten außenpolitischer Kontinuität«. Bild spricht von einem »Offenbarungseid«. Der Unmut innerhalb der Union angesichts der Entscheidung der Bundesregierung, vorerst keine Rüstungsgüter an Israel zu liefern, die beim genozidalen Vorgehen israelischer Truppen in Gaza zum Einsatz kommen können, wurde auch am Wochenende von der Springerpresse eng begleitet. SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil unterstützte dagegen den Schritt des Kanzlers, auch diverse CDU-Politiker gaben Merz recht.

Dieser verteidigte seine Entscheidung am Sonntag in der ARD und gab sich betont unbeeindruckt von äußerer Kritik an seinem Handeln. »Wir können nicht Waffen liefern in einen Konflikt, der versucht wird, ausschließlich mit militärischen Mitteln gelöst zu werden« und der »Hunderttausende von zivilen Opfer fordern könnte«, erklärte Merz. Er machte umgehend deutlich, dass es keineswegs eine Beeinträchtigung der politischen oder wirtschaftlichen Beziehungen zu Israel geben werde. »Wir haben einen Dissens mit der israelischen Regierung, das hält eine Freundschaft aber aus.« An den Grundsätzen der deutschen Israel-Politik ändere sich nichts, betonte er wiederholt. Die Zusammenarbeit, auch auf Ministerebene, werde sogar intensiviert. Die BRD sei schließlich keineswegs Vermittler in dem »Konflikt«, sondern stehe fest an der Seite Israels.

Parteichef Markus Söder fühle sich von Merz »komplett übergangen«, wusste Bild sonntags zu berichten. Er halte dessen Entscheidung für »grundfalsch«. Seinen Mann in Berlin, Landesgruppenchef Alexander Hoffmann, ließ der CSU-Chef gegenüber dem Boulevardblatt verkünden: »Die CSU war an dieser Entscheidung nicht beteiligt, und wir halten sie für bedenklich.« Der CSU-Ehrenvorsitzende und frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer sprach in Bild von einem »außenpolitischen Fehler«, der lange fortwirken werde.

Zuvor hatte der Außenpolitiker Roderich Kiesewetter (CDU) auf X von einem »schweren politischen und strategischen Fehler Deutschlands« geschrieben. Die Regierung beuge sich einem »antisemitischen Mob der Straße« und der »kognitiven Kriegführung einer gnadenlosen Hamas-Propaganda«. Matthias Hauer (CDU), parlamentarischer Staatssekretär im Forschungsministerium, erklärte ebenfalls auf X, er halte die Begrenzung der Waffenexporte für einen »schweren Fehler und ein verheerendes Signal«.

Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) wies am Sonnabend die Vorwürfe aus den Reihen der Union zurück. Es dürfe überhaupt kein Zweifel daran bestehen, »dass die Grundlinien der deutschen Israel-Politik unverändert bleiben«, sagte Frei gegenüber dpa. Das Vorgehen von Merz sei »durch die jüngsten Entscheidungen der israelischen Regierung leider unausweichlich geworden«, erklärte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen gegenüber der Rheinischen Post. Jener Lieferstopp war eine Reaktion der Bundesregierung auf die Ankündigung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, die israelische Armee im abgeriegelten und ausgehungerten Gazastreifen weiter vorrücken zu lassen, unter anderem um Gaza-Stadt einzunehmen.

Der israelische Historiker Moshe Zimmermann bezeichnete die Einschränkung der Waffenexporte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland als »lange überfällig«. Es sei »ein Wert an sich«, dass die Bundesregierung so ein Zeichen setze. Franziska Brantner, Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, begrüßte am Sonnabend gegenüber dpa, dass die Bundesregierung »endlich ins Tun kommt«. Dies könne aber nur ein erster Schritt sein.

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