Baku und Moskau im Zwist
Von Jörg Tiedjen
Beste Freunde waren sie ohnehin nicht. Aber nun scheinen die Spannungen zwischen Russland und der früheren Sowjetrepublik Aserbaidschan zu eskalieren. Am Dienstag eröffnete die Generalstaatsanwaltschaft in Baku ein gegen Beamte der Russischen Föderation gerichtetes Strafverfahren wegen Folter und Mordes, wie die Infoseite Azerbaycan 24 berichtete. Hintergrund ist, dass der russische Inlandsgeheimdienst FSB am 27. Juni in der Millionenstadt Jekaterinburg eine Razzia in Wohnhäusern von Aserbaidschanern durchgeführt hatte, die verdächtigt werden, in zwischen 2001 und 2011 auf dem Gebiet der Russischen Föderation verübte Auftragsmorde verwickelt zu sein. Bei der Aktion kamen zwei der Verhafteten mit russischer Staatsbürgerschaft offensichtlich im Gewahrsam ums Leben.
Wie eine Untersuchung der am Montag ihren Familien übergebenen und am gleichen Tag mit einem Direktflug in die Heimat zurückgebrachten Leichname laut Azerbaycan 24 ergeben haben soll, seien die beiden Getöteten an den Folgen äußerer Gewalt gestorben – genauer: an »systematischer Folter«. Russische Ärzte hatten unter anderem von »Herzschwäche« als Todesursache gesprochen. Die Regierung des Kaukasuslandes hatte den russischen Botschafter bereits am 28. Juni zu dem Fall eingestellt. Baku richtet seitdem schwere Vorwürfe an Russland und beklagt eine rassistische Behandlung von Aserbaidschanern und Menschen aserbaidschanischer Herkunft.
Das Strafverfahren ist nicht die einzige Reaktion Bakus auf die Todesfälle von Jekaterinburg. Am Montag hatte die Polizei in der aserbaidschanischen Hauptstadt schon die Räumlichkeiten des russischen Auslandssenders Sputnik durchsucht und dabei zwei Personen festgenommen, bei denen es sich um FSB-Mitarbeiter handeln soll, wie dpa mitteilte. Russlands Regierung weist die Darstellung zurück und beklagt ihrerseits »unfreundliche Handlungen Bakus« und eine »illegale Festnahme russischer Journalisten«. Auch der aserbaidschanische Botschafter in Moskau musste sich darauf eine Verwarnung in Form einer Protestnote gefallen lassen.
Die Beziehungen zwischen Moskau und Baku gestalten sich schon seit geraumer Zeit schwierig. Das liegt vor allem daran, dass Russland immer wieder als Schutzmacht Armeniens auftritt, mit dem Aserbaidschan seit dem Untergang der Sowjetunion um die Enklaven Bergkarabach und Nachitschewan streitet. Das Verhältnis verbesserte nicht, dass Moskau Jerewan weitgehend im Stich ließ, als Bakus Armee 2021 das Nachbarland mit türkischer Rückendeckung überfiel und 2023 Bergkarabach besetzte, wobei Hunderttausende Armenier die Flucht ergriffen. Ende vergangenen Jahres belastete dann der versehentliche Abschuss eines aserbaidschanischen Verkehrsflugzeuges über der tschetschenischen Hauptstadt Grosny während einer ukrainischen Drohnenattacke das Verhältnis zusätzlich. Zwar bat Russlands Präsident Wladimir Putin für den »tragischen Zwischenfall« um Verzeihung. Allerdings besteht sein aserbaidschanischer Amtskollege Ilham Aliyev auf einer lückenlosen Untersuchung der Absturzursachen und auf einer Wiedergutmachung.
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