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Aus: Ausgabe vom 18.06.2025, Seite 1 / Kapital & Arbeit
Arbeitszeit

Beschäftigte gegen unbegrenzte Arbeitszeit

Statistisches Bundesamt: Teilzeit in Deutschland stärker verbreitet als im EU-Schnitt
Von Daniel Bratanovic
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Die Befunde fügen sich ein in die von Regierungsparteien und Kapitalverbänden angestoßene Debatte um die Arbeitszeit. Soll die Nation in der Staatenkonkurrenz bestehen, müssen die Staatsbürger wieder mehr arbeiten, der Achtstundentag, so sieht es der Koalitionsvertrag vor, soll fallen. Das Statistische Bundesamt teilte am Dienstag mit, dass Teilzeitarbeit in der Bundesrepublik Deutschland so weit verbreitet ist wie in kaum einem anderen EU-Staat. 29 Prozent der Erwerbstätigen zwischen 15 und 64Jahren gingen danach im vergangenen Jahr einer Teilzeitbeschäftigung nach. Höher ist die Teilzeitquote lediglich in den Niederlanden (43 Prozent) und in Österreich (31 Prozent). Der EU-weite Schnitt liegt bei 18 Prozent.

Dabei sind Frauen mehr als viermal so häufig in Teilzeit tätig wie Männer: Während 48 Prozent der Frauen Teilzeit arbeiteten, traf dies nur auf zwölf Prozent der Männer zu. Der maßgebliche Grund besteht in der überdurchschnittlichen Erwerbstätigenquote von Frauen in der Bundesrepublik. Yvonne Lott vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut nennt das »eine erfreuliche Entwicklung« und lehnt zugleich die aktuellen Regierungspläne ab, die tägliche Höchstarbeitszeit zu beseitigen.

Diese Einschätzung deckt sich mit den Ergebnissen einer Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit, die ebenfalls am Dienstag vorgestellt wurden. Danach sind 73 Prozent der Beschäftigten in Deutschland gegen eine unbegrenzte tägliche Arbeitszeit. 34 Prozent der Befragten wären dagegen bereit, an einzelnen Tagen mehr als zehn Stunden pro Tag zu arbeiten.

Diese mehrheitliche Haltung der Deutschen soll nach dem Willen der Bundesregierung gedreht werden. Jeder einzelne soll noch mehr seiner Zeit für eine Lohntätigkeit aufbieten. Die Behauptung jedoch, es werde immer weniger gearbeitet, lässt sich nicht aufrechterhalten. Zwar sank die geleistete Wochenarbeitszeit aller Erwerbstätigen (Vollzeit und Teilzeit) im Schnitt leicht von 35,6 Stunden im Jahr 2024 auf aktuell 34,8 Stunden, aber die Summe der Arbeitsstunden aller Beschäftigten war seit 1990 nie so hoch wie im Jahr 2024.

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