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Aus: Ausgabe vom 13.06.2025, Seite 6 / Ausland
Schweiz

Kantone für Rüstungsindustrie

Schweiz: Ständerat befürwortet Aufweichung des Kriegsmaterialgesetzes
Von Kim Nowak
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Im Kosovo beteiligte sich die Schweizer Armee an der »Schutztruppe« KFOR (18.12.2024)

Der Aufrüstungswahnsinn der EU-Staaten löst auch in der Schweiz Reaktionen aus. Mit circa 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt Bern zwar deutlich unter der NATO-Zielmarke von zwei Prozent, an der sich die EU-Staaten orientieren. Gemessen an den Rüstungsausgaben pro Kopf in 2024 ist die Differenz allerdings nicht sehr groß. Während die EU pro Person 823 US-Dollar ausgibt, sind es im Fall der Schweiz 755 US-Dollar.

Nun will die Schweiz auch ihr Kriegsmaterialgesetz aufweichen. Der Ständerat, die die Kantone repräsentierende zweite Kammer des Parlaments, stimmte am Mittwoch für einen entsprechenden Beschluss. Losgetreten haben das die Parlamentsparteien Schweizerische Volkspartei (SVP), FDP und die christdemokratische »Mitte«. Zur Begründung führte FDP-Ständerat Josef Dittli an, dass verbündete Staaten Bern aufgrund der strengen Regelung »boykottieren« würden: »Dies führt zum Untergang der Schweizer Rüstungswirtschaft. Rüstungsfirmen verlegen die Produktionsketten ins Ausland, Arbeitsplätze gehen verloren.« Ähnlich argumentierte Ständerat Werner Salzmann (SVP). Die Neutralität sei zwar ein hohes Gut, allerdings würden die strengen Regeln »eine glaubwürdige Verteidigungsfähigkeit der Schweiz« verhindern. Überraschend ist, dass sich auch die »Mitte« dafür einsetzt. Noch kurz vor dem Ukraine-Krieg hatten die Parlamentarier mitgeholfen, das Gesetz zu verschärfen. Nun also die Kehrtwende.

Das Gesetz sieht bisher vor, dass, wer Schweizer Kriegsmaterial gekauft hat, dieses nicht in ein Konfliktgebiet weitergeben darf. Nun sollen insgesamt 25 Staaten, darunter vor allem NATO- und EU-Länder, nach einem Erwerb frei über das Kriegsgerät verfügen können. Gegen eine solche Aufweichung stellen sich die Grünen und die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP). Der Grüne Mathias Zopfi betonte, dass die »Relevanz der Rüstungsindustrie« wichtig sei. Allerdings sehe er die »Reputation der Schweiz« in Gefahr. SP-Ständerat Daniel Jositsch hingegen sorgte sich um die Neutralität seines Landes: »Sie unterwandern sie, so dass diese nicht mehr existiert.« Deutlicher wurde seine Kollegin Franziska Roth: Durch eine Änderung des Gesetzes gebe man »Russland und Israel einen Freipass«. Anders als in der BRD ist die Israel-Solidarität in der Alpenrepublik weitaus weniger ausgeprägt.

Diese Kritik wird jedoch verhallen, denn die Befürworter haben eine parlamentarische Mehrheit, womit die Lockerung höchstwahrscheinlich durchkommen wird. Dass die Kriegslobby einen Einfluss auf die Lockerung hat, wird dabei gar nicht verschleiert. Verantwortlich ist der Lobbyist Matthias Zoller vom Verband Swissmem, der die Interessen der »Sicherheits«- und Rüstungsindustrie vertritt. »Ich bin der, der informiert«, protzte der Lobbyist am Mittwoch. Daher habe er bei der Entscheidung des Rats »vielleicht ein bisschen mitgeholfen«, zitierte ihn der SRF. Das ist untertrieben, denn die Gesetzesänderung wäre ein Geschenk an die Rüstungsindustrie.

Zwar muss die Abgeordnetenkammer des Parlaments, der Nationalrat, dem noch zustimmen. Doch FDP-Ständerat und NATO-Freund Thierry Burkart, der die Initiative eingebracht hat, sieht das locker: »Ich bin überzeugt, dass auch dort eine Mehrheit verstanden hat, was Sicherheit wert ist.« Allerdings: Wenn auch der Nationalrat die Lockerung abnickt, ist ein Referendum nicht ausgeschlossen. »Übertreibst du es beim Legiferieren (ein Gesetz verabschieden, jW), tust du ein Nein beim Referendum riskieren«, warnte Zopfi schon den bürgerlich-rechten Block.

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