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Aus: Ausgabe vom 13.06.2025, Seite 1 / Titel
Ukraine-Aufrüstung

SPD-Raketenantwort

Nach »Manifest« sozialdemokratischer Friedenskreise: Deutschland und Ukraine steigen in gemeinsame Produktion weitreichender Waffen ein
Von Arnold Schölzel
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Mit 1,9 Milliarden Euro über die Grenze: Boris Pistorius am 11. Juni im polnischen Dorohusk

Am Mittwoch veröffentlichten rund 40 SPD-Mitglieder ein »Manifest«, mit dem sie den Verfechtern deutscher »Kriegstüchtigkeit« wie dem Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Verteidigungsminister Boris Pistorius Kontra boten.

Klingbeil hatte am 18. Oktober 2022 erklärt, dass die Aussage, Sicherheit und Stabilität in Europa seien nicht gegen, sondern nur mit Russland möglich, »keinen Bestand mehr« habe. Das ordneten die »Manifest«-Verfasser ohne namentliche Nennung des SPD-Vorsitzenden »Kräften« zu, »die die Zukunft vor allem in einer militärischen Konfrontationsstrategie« suchten.

Dem setzt das »Manifest« »das Konzept gemeinsamer Sicherheit« entgegen, das 1975 zur Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Helsinki geführt habe. Dies sei »der einzige verantwortungsbewusste Weg«, um Krieg zu verhindern. Die Stationierung »neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland« lehnen die Verfasser ab und warnen, die Stationierung »von weitreichenden, hyperschnellen US-Raketensystemen« werde »unser Land zum Angriffsziel der ersten Stunde machen«. Bis Donnerstag nachmittag hatten 4.400 Menschen das Papier auf der Plattform Openpetition.org unterzeichnet.

Das Echo in den meisten deutschen Medien und von zahlreichen Politikern war wütend bis hasserfüllt. Die wirkliche Antwort aber kam am Donnerstag aus Kiew: Dort kündigte Pistorius an, dass Deutschland und die Ukraine in die gemeinsame Produktion von weitreichenden Waffen einsteigen. Vor seiner Abfahrt hatte er in Berlin gegenüber dpa zum »Manifest« gesagt: »Dieses Papier ist Realitätsverweigerung. Es missbraucht den Wunsch der Menschen in unserem Land nach Ende des furchtbaren Krieges in der Ukraine. Nach Frieden.«

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij bezifferte Pistorius die zusätzliche deutsche Militärhilfe auf 1,9 Milliarden Euro. Mit dem Geld sollten unter anderem Raketen mit großer Reichweite finanziert werden. Wenn das zusätzliche Geld vom Bundestag beschlossen werde, dann stelle Deutschland in diesem Jahr insgesamt rund neun Milliarden Euro zur Verfügung. Pistorius erinnerte daran: »Ich kann für Deutschland sagen, dass wir in dieses Jahr hineingegangen sind, mit einer Unterstützung für die Ukraine in der Größenordnung von vier Milliarden Euro.« Dies sei »im Laufe der letzten Monate auf sieben Milliarden Euro aufgestockt« worden. »Und wir haben jetzt in der Planung, das ist noch nicht endgültig beschlossen, steht aber in Aussicht, einen weiteren Betrag von 1,9 Milliarden Euro.« Das Geld werde »dann in den nächsten Wochen und Monaten, wenn der Beschluss im Parlament gefasst ist, zur Verfügung stehen.«

Auch die ersten in der Ukraine hergestellten »Long-Range-Fire-Systeme« dürften nach seinen Worten »noch in den nächsten Monaten zur Verfügung stehen.« Pistorius fügte hinzu: »Und zweitens werden wir Geld zur Verfügung stellen, damit die ukrainische Regierung, die ukrainischen Streitkräfte Material kaufen können, bei der ukrainischen Rüstungsindustrie, deren Kapazitäten dadurch besser ausgelastet werden können.« Auf eine Frage nach der Lieferung von »Taurus«-Marschflugkörpern antwortete er: »Da Sie mir eine Frage gestellt haben, ob wir das in Erwägung ziehen, lautet meine Antwort: Nein.« Selenskij, der noch am Tag zuvor »Taurus«-Lieferungen verlangt hatte, zeigte sich »sehr dankbar«.

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